DDR Beatet Bestes

Berlin Beatet Bestes. Folge 19. Joco-Dev-Sextett: Das einzige, was mir übrig blieb, 1969.

Vor zwölf Jahren zog ich von Hamburg nach Berlin und entdeckte mit dem Ostteil der Stadt auch dessen musikalische Hinterlassenschaften. In Hamburg hatte ich nur wenige Schallplatten des staatlichen DDR-Labels Amiga zu Gesicht bekommen. Jetzt begegneten sie mir überall und kosteten fast nichts. Niemand schien sie haben zu wollen. Mit der Machtübernahme der CD Anfang der Neunziger warfen Ostler wie Westler ihre musikalische Vergangenheit auf den Müll. Ich jedenfalls entdeckte ein weites neues exotisches Sammelgebiet, das mich über Jahre gefangennehmen sollte: Rock’n’Roll und Beat aus Osteuropa.
Ein beliebter Tonträger in Osteuropa war die Flexi Disc. Angeblich sind diese flexiblen Schallfolien nur begrenzte Zeit abspielbar, von den Dutzenden, die ich besitze, spielen aber alle auch nach über 40 Jahren noch tadellos. Nur knicken darf man sie nicht.
Die Flexi, von der ich hier schreibe, wurde von der damaligen Jugendzeitung Junge Welt veröffentlicht, nachdem die erste Folge der Musiksendung »Die Notenbank« ausgestrahlt worden war. Die Sendung war ganz offensichtlich ein Versuch des DDR-Fernsehens, den westdeutschen »Beat Club« nachzuahmen, nur dass im Osten hauptsächlich Amateurgruppen auftraten. Das Joco-Dev-Sextett gehörte zu den Gruppen, die in dieser allerersten Sendung auftreten durften. Natürlich mussten die Gruppen auf Deutsch singen, aber die Sendung gab plötzlich vielen Bands, die das zeitweilige Beatverbot in der DDR überlebt hatten, die Chance, endlich auch einmal vor größerem Publikum aufzutreten.
Joco Dev war ein Kürzel für die Namen der Gründungsmitglieder Jörg, Conny und Detlev. Der Bassist von Joco Dev, Jörg Schenkel, spielte zuerst im Diana-Show-Quartett, das als eine der wildesten Beat-Gruppen der DDR gilt. Zwischen 1964 und 1965 hatten sie viele Auftritte, durften aber nie Platten aufnehmen und wurden letztlich verboten. So sehr ich den offiziell abgesegneten Ersatz-Beat der Theo-Schumann-Combo und der Thomas-Natschinski-Gruppe mag, klingt Joco Dev so, als hätten die Regierenden die Jugend 1969 wirklich nicht länger zurückhalten können. »Das einzige, was mir übrig blieb« ist ein schöner treibender Beatsong mit großartigen Orgel- und Gitarrensoli, der entfernt an die britischen Zombies erinnert.
Jörg Schenkel hat mir übrigens auf meinen Blogartikel hin eine sehr freundliche Mail geschickt. Allerdings warnte er mich auch, mir drohe eine Unterlassungsklage. Bertelsmann und Sony haben nach der Wende die Rechte an allen Amiga-Platten gekauft. So wurde jüngst selbst Schenkel untersagt, Songs, die er vor 40 Jahren geschrieben hat, auf seiner Webseite zu veröffentlichen.

www.jocodev.de