Die Gründung eines europäischen Bündnisses rechtsextremer Parteien

Eine Allianz mit Ausbauplänen

In Ungarn gründete sich eine »europäische nationale Bewegung«. Mit von der Partie sind der französische Front National, die un­garische Partei Jobbik und drei weitere rechtsextreme Parteien aus Belgien, Italien und Schweden.

Es gibt einen neuen Zusammenschluss von rechtsextremen Parteien Europas. In Budapest wurde das Bündnis am 25. Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt, es hört auf den Namen »Allianz der europäischen nationalen Bewegungen«. Diese neue Allianz solle möglichst bald in Brüssel oder Strasbourg ordnungsgemäß als neue Europa-Partei registriert werden, verkündete Zoltan Bal­czo, Europa-Parlamentarier und stellvertretender Vorsitzender der ungarischen rechtsextremen Partei Jobbik, der Presse. Eine offizielle Registrierung als europaweite Partei könnte auch finanzielle Unterstützung der EU zur Folge haben. Ein wesentliches Ziel sei es, »Europa gegen den religiösen, politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Imperialismus zu schützen« – wie es unter anderem in einer »Neun-Punkte-Erklärung« heißt, die von den in Budapest versammelten Par­teien angenommen wurde. Die supranationalen Strukturen der EU in ihrer heutigen Form werden abgelehnt, ebenso der »Globalismus«.

Die Auswahl des Ortes und des Datums dieses Gründungstreffens waren nicht dem Zufall überlassen. Eine zentrale Stellung in der neuen Allianz nimmt die ungarische nationalistisch-antisemitische Partei Jobbik ein, dementsprechend kam es zu der Entscheidung für Budapest. Und das Datum Ende Oktober fällt in die Periode, in der alljährlich das Gedenken an den Aufstand vom Oktober 1956 gefeiert wird. Damals rebellierte ein Bündnis aus unterschiedlichsten politischen und sozialen Gruppen gegen den in Ungarn regierenden Stalinismus und die ihn militärisch stützende UdSSR; zahlreiche Arbeiter rebellierten gegen die staatssozialistische Bevormundung, aber auch ungarische Faschisten mischten aus antikommunistischen und nationalistischen Motiven mit. Der französische rechtsextreme Politiker Jean-Marie Le Pen besuchte aus diesem historischen Anlass am 26. und 27. Oktober 1996 die ungarische Hauptstadt und sprach dort auf einer Großkundgebung. Der Veranstalter war damals die ungarische »Partei der Wahrheit und des Lebens« (MIEP) des antisemitischen Schriftstellers Istvan Csurka. Inzwischen ist sie in der Bedeu­tungs­losigkeit verschwunden, während die – 2003/04 teilweise aus einer Abspaltung von der MIEP entstandene – Bewegung Jobbik in den Mittelpunkt rückte.

Die rechtsextreme Partei Jobbik, die bei den Wah­len zum Europa-Parlament im Juni in Ungarn 14,77 Prozent der Stimmen erhielt, zählt zu den derzeit dynamischsten rechtsextremen Parteien in Europa. Ihre paramilitärische Ungarische Garde wurde allerdings im Juli gerichtlich verboten. Besonderen Auftrieb erhält die naziähnliche »Bewegung« dadurch, dass die soziale Frage in Ungarn weitestgehend rechts bis rechtsradikal besetzt und nationalistisch-rassistisch-antisemitisch aufgeladen werden konnte.
Neben Jobbik steht vor allem der französische Front National (FN), für den sein stellvertretender Vorsitzender, der Europa-Parlamentarier Bruno Gollnisch, nach Budapest reiste, im Mittelpunkt der neu gegründeten Allianz. Beide Parteien nähern sich auch einander an, indem sie antisemitisch sind und bei außenpolitischen Themen heute eine antiwestliche Linie vertreten. Das unterscheidet sie von den eher proamerikanischen und pro-israelischen Rechtsparteien, wie der erfolgreichen niederländischen Freiheitspartei (PVV) des Moslemhassers Geert Wilders. In konservativ-liberalen und rechtskonservativen Kreisen gelten Jobbik und FN als weitaus weniger bündnisfähig.

Die übrigen drei Parteien, die der frisch gegründeten Allianz derzeit angehören, sind schwä­chere Parteien oder kleinere Abspaltungen von einflussreicheren rechten Gruppen. Dies gilt für die italienische Partei Fiamma Tricolore, benannt nach der dreifarbigen italienischen Nationalflagge. Hier handelt es sich um einen traditionalistisch orientierten Überrest der früheren neofaschistischen Italienischen Sozialbewegung (MSI), der die 1995 unter Gianfranco Fini vorgenommene Umwandlung in die rechtskonservative und »regierungsfähige« Partei Alleanza Nazionale nicht mitvollzog.
Bei den ebenfalls an der neu gegründeten Allianz beteiligten schwedischen »Nationaldemokraten« verhält es sich ähnlich, sie sind eine extremistische Abspaltung der Schwedendemokraten (SD). Die Rechtspopulisten der SD haben derzeit Erfolg, und es ist anzunehmen, dass sie bei den schwedischen Parlamentswahlen in knapp einem Jahr die dort geltende Vier-Prozent-Hürde überwinden werden. Bei den Wahlen 2006 waren sie noch mit 2,93 Prozent gescheitert. Die Nationaldemokraten erreichten damals einen Stimmenanteil von 0,1 Prozent. Die SD ist in jüngster Zeit auf dem Weg, ihren Einfluss zu steigern, vor wenigen Tagen veröffentlichte die auflagenstarke Tageszeitung Aftonbladet einen Gastbeitrag des Vorsitzenden Jimmie Akesson, in dem dieser offen gegen Muslime – »die größte ausländische Bedrohung Schwedens seit Ende des Zweiten Weltkriegs« – hetzen konnte.
Die fünfte Partei im Bunde, der belgische Front National (FN) – der vor allem in der wallonischen Region, dem französischsprachigen südlichen Landesteil, verankert ist –, wurde 1985 nach dem Vorbild der gleichnamigen französischen Partei gegründet. In den vergangenen Jahren war der belgische FN den Franzosen allerdings eher unangenehm. Abspaltungen und Skandale etwa um Holocaustleugner erschütterten die Partei. Noch vor der diesjährigen Wahl zum Europa-Parlament kam es nach Querelen zu einem gerichtlichen Streit um das Recht, den Parteinamen zu führen.

Wie Funktionäre der Jobbik am Grün­dungs­wo­chen­ende in Budapest der Presse mitteilten, seien »Verhandlungen im Gange« mit der Zielsetzung, dass weitere Rechtsparteien der neuen rechtsextremen Allianz beitreten. Als Gesprächspartner nannten sie dabei insbesondere die British National Party (BNP), die österreichische FPÖ sowie »Parteien in Spanien und Portugal«. Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache unterhält offiziell keinerlei Kontakte zur rechtsextremen Jobbik im Nachbarland Ungarn. Vermutlich geht man bislang davon aus, das würde die FPÖ, die selbst wiederholt zu Vorwürfen wegen Antisemitismus Anlass gegeben hat, zu stark belasten.