Aufführung von Claude-Lanzmann-Film in Hamburg verhindert

Intifada im Hinterhof

In Hamburg verhinderten Antiimperialisten die Vorführung des Films »Warum Israel« von Claude Lanzmann. Die Szene diskutiert nun über Antisemitismus in der Linken.

Die Angreifer konnten einen Sieg im antisemitischen Volkskrieg feiern. Am 25. Oktober war auf Einladung der Gruppe Kritikmaximierung Claude Lanzmanns Film »Warum Israel« von 1972 auf den Spielplan des Hamburger Kinos B-Movie gesetzt worden. Antiimperialisten und Antisemiten aus dem Umfeld des »internationalistischen Zentrums« B5 verhinderten die Filmaufführung. In der Brigittenstraße 5 im Hamburger Stadtteil St. Pauli befindet sich im Vorderhaus das Zentrum B5, im Hof das B-Movie.
Die Antiimperialisten aus der B5 sowie Anhänger der Sozialistischen Linken (SoL) und der Tierrechtsaktion Nord verbarrikadierten den Zugang zum Hof und bedrohten die am Film Interessierten. Das Hoftor wurde mit Fahrradschlössern versperrt, davor patrouillierte man mit hölzernen Maschinengewehren, fotografierte die zum Kinobesuch Erschienenen und rüstete sich unter ande­rem mit Handschuhen und einer Fahrradkette für den Kampf. Diskussionsversuche beantworte­ten die Blockierer mit Faustschlägen ins Gesicht.
Daraufhin entschlossen sich die Gruppe Kritikmaximierung und das B-Movie, die Vorführung des Films abzusagen, um die Gesundheit der Besucher nicht zu gefährden. Die Möglichkeit, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und sich von der Polizei aushelfen zu lassen, wurde nicht erwogen. Viele Filmbesucher waren von der Gewaltbereitschaft und Verstocktheit der Blockierer überrascht. Auch einer der Betreiber des B-Movie sagte: »Dass die Lage so eskalieren würde, damit hat niemand bei uns gerechnet.« In einem Flugblatt erklärten die Blockierer: »Diese antideutsche Gruppe zeigt den Film im B-Movie, um das Spek­trum der B5 zu provozieren. Mit diesem Verhalten bestätigen sie das erklärte Ziel der Antideutschen, die Linke zu zerstören.«
In ihrem manichäischen Weltbild rufen die Blockierer ein passendes Feindbild auf, die linksradikale Gruppe Kritikmaximierung bezeichnen sie als »antideutsch«, also »rassistisch« und »men­schenverachtend«. Doch sie trafen gar nicht auf Antideutsche. Denn die Gruppe Kritikmaximierung ging über den Allgemeinplatz, Lanzmann ha­be Israel als Ort der Zuflucht vor dem weltweiten Antisemitismus filmisch dargestellt, nicht hinaus. Das allerdings genügte offenbar. Für die Blockierer sind Israelis »Killer«, Israel ist der Staat, der Palästina durch »Vernichtungspolitik« zerschlägt. An Ort und Stelle wurde man noch deutlicher. Die Filmfreunde wurden als »Judenschwei­ne«, »Schwuchteln« und »Nazis« beschimpft.
Diskutiert wurde über diesen Angriff am nächs­ten Tag auf einer Veranstaltung im autonomen Zentrum Rote Flora. Zuerst wurden anwesende Mitglieder der SoL des Saales verwiesen. Das Thema des Abends war eigentlich der Antisemitismus in der Linken, Anlass für die Debatte war die Absage eines Konzertes der Elektro-Punker von Egotronic in der Roten Flora durch das Hausplenum. Egotronic soll im Internet mit einer israelischen Fahne zu sehen sein, ihr Frontmann habe sich pro-israelisch geäußert, eine Spendensammlung für die israelische Armee sei von Egotronic verlinkt worden. Das ist Grund genug für Gruppen aus der Roten Flora, Aktionen bei einem even­tuellen Konzert der Gruppe anzukündigen und schon mal mit Graffiti wie »Isra-Hell« Stimmung zu machen.
Nach Angaben aus der Roten Flora galt bisher: »Es gab in der Roten Flora seit 2002 einen Konsens, dass eine Positionierung pro Israels Existenzrecht kein Ausschlussgrund ist.« Dieser Konsens müsse nun neu hergestellt werden. Scha­de nur, dass an diesem Abend die Israel feindlich gesinnten Besucher den Mund nicht aufmach­ten. Es war ohnehin nicht der Abend für kon­troverse Diskussionen. Die offenbar schwierige Frage, wie man es mit antideutscher Israelsolidarität wollte man nicht stellen. Überlegungen, wie der B5 beizukommen sei, waren dringlicher. Denn es gab in den vergangenen Jahren eine Reihe gewalttätiger Übergriffe auf andere Linke. Dieses Problem hat man in Hamburg bislang aus­gesessen. Nach der Veranstaltung in der Roten Flora wurde sogar gefordert, die B5 zu schließen.
Eine rasche Entscheidung verkündete ein Vertreter des B-Movie. Er sagte der Jungle World, man werde im Dezember den Film zeigen. Eine Wiederholung der Gewalttaten erwartet er nicht: »Die öffentlichen Reaktionen auf die Vorfälle haben so eine Dynamik, dass die B5 nicht noch mal so was bringt.«