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Die Welt hat das Axel-Springer-Hochhaus. Die SPD bewohnt das Willy-Brandt-Haus. Die Taz sitzt im Rudi-Dutschke-Haus. Und die Jungle-World? Die residiert im »Freidenker-Haus«. Nein, das haben wir uns nicht ausgedacht. Dieses Haus heißt so. Und zwar, weil hier einst der 1887 geborene Max Sievers wohnte, damals Reichsvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes.
Sievers war ein Proletarierkind aus Berlin-Rixdorf, der es zum kaufmännischen Angestellten brachte. Um 1910 begann er sich in Kreisen sozialistischer Arbeiter sowie in der freigeistigen Bewegung zu betätigen. 1918 nahm er an der Novemberrevolution teil, er engagierte sich in der USPD und im Arbeiter- und Soldatenrat Neukölln und war Redakteur der Zeitschrift Arbeiterrat. Nach dem Zusammenschluss von KPD und USPD zur Vereinigten Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD) wurde er deren Sekretär und Redakteur der Roten Fahne. 1921 trat er aus der VKPD aus und gründete mit anderen die »Kommunistische Arbeitsgemeinschaft« (KAG), deren Geschäftsführer er wurde. Dann ging die KAG in der USPD auf, die sich mit der SPD wiedervereinigte – daraufhin gehörte Sievers zum linken Flügel der SPD. Sie sehen: Sehr verschlungene Pfade, die schließlich zur SPD führten, vielleicht wissen Sie jetzt, warum wir nicht groß mit der Geschichte unseres Hauses angeben.
Sievers war ab 1922 vor allem Geschäftsführer des Vereins der Freidenker für Feuerbestattung (VdFfF) – ein Verein, der eine Sargtischlerei, eine Näherei für Leichentücher und ein Leichentransportunternehmen betrieb und die Feuerbestattung propagierte. Denn »unter der friedlich anmutenden und mit Blumen üppig geschmückten Erdoberfläche« der Friedhöfe sah Sievers bildlich »5 000 bis 6 000 Leichen ihren Verwesungsprozess vollziehen«. Bunt malte er sich aus, was im Erdreich eines städtischen Friedhofs so alles vor sich geht. Da führen »Millionen von garstigem Gewürm ihr Schmarotzerdasein«, Ratten »mästen sich an Leichen«. Das klingt ein wenig verrückt, aber lange nicht so verrückt, wie die kruden Verschwörungstheorien und Querfrontideologien, die der heutige Deutsche Freidenker-Verband oder zumindest ihr Vorsitzender verbreitet, aber das ist eine andere Geschichte.
Wegen seines politischen Engagenments für Sozialismus und Atheismus wurde Sievers ab 1933 in Deutschland verfolgt. Noch im April 1933 emigrierte er nach Brüssel, wo er weiter antifaschistische Pubikationen herausgab. 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet, unter Roland Freisler zum Tod verurteilt und im Januar 1944 hingerichtet. An unserem Vorderhauseingang erinnert eine Tafel an Max Sievers.