Wie ick mir fühle

Berlin Beatet Bestes. Folge 20. Evelyn Künneke, Kikilala Hawaii (1976).

Normalerweise beschäftige ich mich nicht mit den großen Namen der deutschen Pop-Geschichte, es sei denn der Star hat eine sonderbare Geschichte oder ist fast schon wieder vergessen. Beides trifft auf Evelyn Künneke zu. Die Tochter des Operettenkönigs Eduard Künneke und der Opernsängerin Katarina Garden war eine der weniger bekannten deutschen Diven. 1921 in Berlin geboren, wurde sie zu einem der letzten Stars des »Dritten Reichs«. Obwohl Swing grundsätzlich verboten war, schaffte sie es doch, einige der wichtigsten deutschen Swing-Titel dieser Zeit aufzunehmen. Nach dem Krieg swingte sie weiter und nahm in den fünfziger Jahren sogar einige Rock’n’Roll-Nummern auf. In den sechziger Jahren begann ihr Stern zu sinken.
Erst als Künneke eine Rolle in einem Film von Rainer Werner Fassbinder bekam und Rosa von Praunheim 1976 eine Fernsehdokumentation über sie drehte (»Ich bin ein Antistar – Das glamouröse Leben der Evelyn Künneke«), bekam ihre Karriere neuen Schwung. In der Folge erschienen diese Single und eine LP. Die Kombination von funkigen Bläsern, Wah-Wah- und Hawaii-Gitarre und vor allem dem teilweise berlinernden Text machen »Kikilala Hawaii« zu einem herausragend skurrilen Titel.

Maronen krachen laut auf dem Ofen / Die Nacht ist finster, mach dir ein Licht / Wer wenig hat, der kann sich nischt ­koofen / Im Treppenhaus, da lauert ein Wicht / Drei Kinder ham sich gestern verloofen/Wovon auch der Pastor nicht spricht / Das Haus ist schwarz und morsch sind die Stühle/Die Nachbarn hier, die grüßen sich nie / Ein Palmenzweig hängt über der Spüle / Heißt Koko und ist mein vis-a-vis / Und ick singe, wie ick mir fühle / Nochmal die alte Melodie: Ha-Kikilala-Hawaii-Papaya-Husch-Husch-Honolulu / Ha-Kikilala-Hawaii-Mi-Hula-so-blau-Hula-Kakau-Aloha-Ohe-Ananas / Oko-Aka-Ani-Mi-Fujiyama/

Mein Mann ertrank mir gestern im Weiher / Es war ihm völlig wurscht, ob’s mir passt / Im Nebenhaus ist heute ’ne Feier / Der jüngste ist heraus aus dem Knast / Ein Ofen ist kaputt / Hol’s der Geier / Ein Vogel hängt nach unten am Ast / Vergangen sind nun all die Jahre / Wir hatten so viel Zeit wie das Vieh / Es drängelt sich bis kurz vor der Bahre / Die Decke hängt mir warm auf dem Knie / Ein Blümchen steckt mir lieblich im Haare / Ich sing die alte Melodie: Ha-Kikilala-Hawaii-Papaya-Husch-Husch-Honolulu / Ha-Kikilala-Hawaii-Mi-Hula-so-blau-Hula-Kakau-Aloha-Ohe-Ananas / Oko-Aka-Ani-Mi-Fujiyama.

Die Berliner Mietshaus-Tristesse der Nachkriegszeit und der sehnsuchtsvolle Hawaii-Kitsch, den Evelyn Künneke in den fünfziger Jahren selbst besungen hatte, vermischen sich zu einem der seltsamsten deutschen Schlagertexte der siebziger Jahre. Die B-Seite, »Ich bin Heinos Walküre«, steht dem in nichts nach. Evelyn Künneke trat bis zu ihrem Tod 2001 regelmäßig in Berlin auf.

»Kikilala Hawaii« ist in diesem Jahr auf dem CD-Sampler »Funky Fräuleins: Female Beat, Groove, Disco, Funk in Germany 1968–1978« erschienen.