Über das Betreuungsgeld

Alles für die Hausfrau

Familie oder Beruf? Angeblich will die Regierung mit dem so genannten Betreuungsgeld die »Wahlfreiheit« für Eltern ­erhöhen. Tatsächlich dürfte vor allem die Benachteiligung von Frauen auf dem ­Arbeitsmarkt stärker werden.

Da ist es wieder, das »Unwort des Jahres 2007«: Herdprämie. Wenn alles glatt läuft, wird 2013 das Betreuungsgeld, so der offizielle Name, eingeführt. Eltern, die ihre Kleinkinder bis zum dritten Lebensjahr zu Hause behalten und nicht in eine Krippe schicken, sollen im Monat 150 Euro bekommen. Dass dies im neuen Koalitionsvertrag steht, ist dem Druck der CSU zu verdanken. Die CDU und die FDP geben sich ziemlich skeptisch. So warnte die stellvertretende Vorsitzende der FDP, Cornelia Pieper, schon vor zwei Jahren: »Wir müssen in die Köpfe unserer Kinder investieren, die von der CSU geforderte ›Herdprämie‹ führt eher zu neuen Flachbildschirmen für die Eltern.« Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach damals von einer »Katastrophe« für die Bildungspolitik.

Das Betreuungsgeld soll dazu beitragen, dass Eltern »die Wahlfreiheit haben, Familienleben und Erwerbstätigkeit nach ihren Wünschen zu gestalten«, heißt es im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Überhaupt will sich die neue Regierung stärker um Familien kümmern, die »Leistungsträger in unserem Land«.
Das Ziel ist natürlich, dass die gebärmüden Deutschen mehr Kinder kriegen. Jede siebte Frau und fast jeder vierte Mann entscheidet sich »grundsätzlich für ein Leben ohne Kinder«, zeigte 2006 die Studie »Kinderwünsche in Deutschland« von der Robert-Bosch-Stiftung und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Kinder schränken besonders die Lebensentwürfe von Frauen ein – denn nach wie vor kümmern sich vor allem die Mütter um den Nachwuchs. Das unterbricht die mögliche Karriere und erschwert den Wiedereinstieg in den Job, erhöht die finanzielle Abhängigkeit vom erwerbstätigen Partner oder drängt Alleinerziehende in den Bezug von Transferleistungen. Wird lange Zeit nicht in die Sozialversicherung eingezahlt, steigt zudem das Risiko, im Alter zu verarmen. »70 Prozent der nicht berufstätigen Mütter mit Kindern bis zwölf Jahre im Westen und 90 Prozent im Osten würden gern arbeiten«, heißt es beim DGB. »Sie finden aber keinen Job, der sich mit ihren Erziehungsaufgaben vereinbaren lässt.« Und so kehren auch nach der Elternzeit »viele gut ausgebildete Frauen nicht ins Erwerbsleben zurück, obwohl die meisten sich das wünschen«.
Was so geschlechterneutral als »Wahlfreiheit für Eltern« daherkommt, manifestiert tatsächlich vor allem die Benachteiligung von Frauen. Um Kindererziehung und Job miteinander zu vereinbaren, müsse es vor allem genügend Betreuungsangebote für Kleinkinder geben, sagt auch Barbara Stiegler, die Leiterin des Arbeitsbereichs Frauen- und Geschlechterpolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Doch Betreuungsangebote gibt es nicht. Zwar schaffen die Länder derzeit mehr solcher Angebote. Aber selbst wenn die Vorgabe des 2008 verabschiedeten Kinderförderungsgesetzes eingehalten wird, gibt es auch im Jahr 2013 nur für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Kita- oder Tagespflegeplatz. »Das Betreuungsgeld soll die Attraktivität der privaten Fürsorgearbeit erhöhen und diese Leistung ›anerkennen‹. Dabei wird nicht beachtet, dass der Staat diese Arbeit bereits durch Ehegattensplitting und kostenlose Mitversicherung des Ehepartners mit Milliardenbeträgen unterstützt«, schreibt Stiegler in einem Gutachten. So sei die Herdprämie »überhaupt nur für die Mütter attraktiv, die entweder keine Erwerbsarbeit finden und mit staatlichen Sozialleistungen leben, oder Mütter, die gar nicht auf ihren eigenen Verdienst angewiesen sind«.

Das Betreuungsgeld halte »Mütter von der Arbeitswelt« fern, warnen die Grünen. Das Konzept funktioniere als »Anreiz zur Förderung des Hausfrauenmodells« und sei alles in allem ein »gleichstellungspolitischer Supergau«. Das Ziel ist eine »ausgeweitete Honorierung von Familienarbeit«, sagt die kinder- und familienpolitische Sprecherin Ekin Deligöz. »Diese Anreize machen die Bemühungen zur Gleichstellung zwischen Männern und Frauen sowie zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zunichte.«
Was das Thema Gleichstellung angeht, findet man ohnehin nicht viel im neuen Koalitionsvertrag. Die schwarz-gelbe Regierung hat sich zwar angeblich vorgenommen, »bestehende Benachteiligungen in Arbeitswelt, Politik und Gesellschaft« zu beseitigen, benötigt dafür aber erst mal einen nicht näher spezifizierten »Rahmenplan zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in allen Phasen des ­Lebensverlaufs«.
Wenn es Geld fürs ­Zuhausebleiben gibt, betrifft das in der Praxis vor allem Frauen, sagt auch der Verband berufstätiger Mütter. Aber genau das kommt dem Familienideal der konservativen CSU mit arbeitendem Vater und erziehender Mutter entgegen. Die Partei kann sich freuen, sollte die Herdprämie tatsächlich kommen. Untersuchungen aus dem Ausland bestätigen nämlich die gleichstellungspolitischen Befürchtungen der Kritiker. In Finnland, Norwegen und Schweden hat die Einführung von Herdprämien dazu geführt, »dass die Frauen eher zu Hause bleiben, wie sinkende beziehungsweise stagnierende Beschäftigungsquoten zeigen«. So förderten »eingeführte Betreuungsgeldsysteme eine traditionelle Rollenverteilung«, wie Forscherinnen für die Hans-Böckler-Stiftung herausfanden.
Ob sich das Modell rein rechnerisch für die Eltern lohnt, bezweifelt die Bundeskonferenz der kommunalen Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. Sie kritisiert, dass »ein langer Ausstieg von Müttern aus dem Erwerbsleben gefördert« werde, »ohne die finanzielle Lage der Familie wesentlich zu verbessern«. Gerade alleinerziehenden Müttern helfen 150 Euro im Monat überhaupt nicht weiter, argumentierte auch der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD). »Sie müssen weiter arbeiten gehen.« Darüber hinaus befürchtet er, dass das Betreuungsgeld »eben nicht zur Förderung und Bildung der Kinder ausgegeben wird. Im Klartext: In der deutschen Unterschicht wird es versoffen und in der migrantischen Unterschicht kommt die Oma aus der Heimat zum Erziehen, wenn überhaupt.«

An dieses Problem hat die Regierung auch schon gedacht. Damit die Unterschicht das Geld nicht in Schnaps oder Fernseher investiert, soll das Betreuungsgeld »gegebenenfalls als Gutschein« gewährt werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Angela Merkel hat kürzlich klar gemacht, wer mit Gutscheinen statt Geld abgespeist werden könnte, nämlich »Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel«. Auch besteht die Gefahr, dass auf Umwegen künftig migrantische Eltern gemaßregelt werden könn­ten, ohne dass dabei an die Kinder gedacht würde. So will die Koalition »verstärkt Inte­grationskurse für Eltern an Kindergärten und Schulen einrichten«, die auch zur Pflicht werden können, wenn »wegen mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern eine Beeinträchtigung des Kindeswohls« droht.
Vorerst wird über das Betreuungsgeld noch gestritten. Noch im September 2008 forderte der Bundesvorstand der FDP, dass es »endgültig vom Tisch müsse«. Und auch von der Leyen gibt sich ­zurückhaltend. Sie spricht zwar nicht mehr von einer »Katastrophe«, will die kommenden drei Jahre aber ausdrücklich für eine »gesellschaftspolitische Diskussion« darüber nutzen, »wie ein Betreuungsgeld so ausgestaltet werden kann, dass es Kinder nicht von Anfang an von so wichtigen Lernorten ausschließt«. In sich stimmig sei das Konzept nämlich noch nicht.