Nachrufwesen 2.0

»Sensationsgeil«. »Unverschämt«. »Respektlos«. So ungefähr lauten die Schlagworte, mit denen Blogger die Berichterstattung über den Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke kritisierten, ach was: anprangerten, geißelten und überhaupt. Print- aka Holz-Medien und deren Onlineauftritte sind der Laienschreiberschar nämlich ein Graus, und so kam es auch im Fall Enke zum Üblichen, nämlich dem engagierten, wenn auch oft ausdrucks- und rechtschreibschwachen Lamento über »die Presse«. Und das geht so: Ausgerüstet mit praktisch jeder Information, die in eben dieser Presse zu finden war, schreibt man einen Blogeintrag, in dem man die Medienhysterie verurteilt und eine eigene Sicht der Dinge bietet (zum Thema Robert Enke bestand diese häufig darin, der Familie viel Kraft zu wünschen, die Sensationsgeilheit der Holzmedien anzuprangern und die Krankheit Depression zum Tabuthema zu erklären, womit endlich Schluss sein müsse und so).
Um die größtmögliche Aufmerksamkeit und auch ein paar Klicks auf Google-Ads zu erreichen, schreibt man anschließend einen knack­igen Satz auf Twitter, fügt die URL zum Selbstgeschriebenen bei, versieht das Ganze mit dem passenden Hashtag (#Enke) und kann sich über jede Menge sensations- äääh, nein, informationshungriger Leser freuen. Doofe Berichterstattung wird übrigens nie angeprangert, was daran liegen könnte, dass … liegt auf der Hand, ne? Schade, eigentlich, denn der N24-Sportexperte, der kurz nach Enkes Tod vor die Kameras trat, um in gemessenem Ton von der schweren Krebserkrankung zu berichten, an der die kleine Tochter des Torhüters vor einiger Zeit starb, hätte es eigentlich verdient gehabt, in all seiner Doofheit rauf und runter durch die Blogs gezerrt zu werden. Und das nicht nur, weil das Mädchen in Wirklichkeit an einem Herzfehler litt, sondern auch, weil er ansonsten so viel Bullshit erzählte.