Sex-Welle auf Sächsisch

Berlin Beatet Bestes. Folge 21. Die Travellers: Romeo & Julia (1969).

Die 3 Travellers, Fred Oldörp (Bandoneon), Eddie Rothe (Gitarre) und Mischa Andrejew (Kontrabass), begannen 1946, in Berlin Swing und Boogie zu spielen. Dabei entstanden einige schöne deutsche Versionen US-amerikanischer Hits, darunter das Stück »Zement-Mixer«, das von Slim Gaillard stammt, aus dessen Repertoire die 3 Travellers einige Songs coverten. Berühmt wurden sie allerdings durch ihre Berlin-Hymnen. Auch das Vereinslied des Fußballclubs Hertha BSC, »Blau-Weiße Hertha«, stammt von ihnen. Das Label Bear Family hat ihre größten Hits aus dieser Zeit auf der CD »Eine Tüte Luft aus Berlin« zusammengefasst.
In den sechziger Jahren nannte sich die Schlagergruppe dann nur noch die Travellers. Weiterhin coverten sie internationale Hits: »Der Pleitegeier« (»El Condor Pasa« von Simon & Garfunkel), »Na-Na, Na-Na« (»Mah-Ná, Mah-Ná« von Mahna Mackay) und »Ei, ei, ei, my Butterfly« (»Butterfly« von Danyel Gérard). Diese Parodie-Versionen wandten sich hauptsächlich an ein älteres Publikum, das Spaß an der neuen Sex-Welle hatte. Die Stimmungslieder verkauften sich millionenfach.
Heute wird der Markt für zotige Songs von Micky Krause und Konsorten abgedeckt. Man muss den Travellers zugute halten, dass ihre Texte immer Tongue-In-Cheek-Humor besaßen und mit der Direktheit heutiger Ballermannmusik nicht vergleichbar sind, obwohl Titel wie »Mama, zieh die Hotpants an«, »Leute, kauft bei Frau Beate ein« und »Meine Olle liest den Kolle« sicherlich Vorläufer waren.
»Romeo & Julia« ist ein Song über Hippies. Obwohl sich die Travellers in erster Linie an ein reiferes Publikum richteten und die Bandmitglieder auch nicht mehr ganz jung waren, hat das Lied einen versöhnlichen Text. Sächselnd singen sie:
»Wir, wir beede sind nich Romeo und Julja/Seh’n wir mit unser’n Loden ooch so aus/Wir, wir sind seit een paar Wochen bei den Hippies/und traun uns beede gar nich mehr nach Haus/Wir, wir Blumenkinder wissen noch, was scheen ist/Nur von Luft und Liebe leben mir/Und kriegt uns’re Braut verbisch’ mal etwas Kleenes/Dann wird es ooch een Hippie, so wie wir.«
Ganz andere Töne schlug dagegen zur selben Zeit Freddy Quinn in seinem legendären Hippie-Hasslied »Wir« an: »Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden? Wir!/Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden? Wir!/Ihr lungert herum in Parks und in Gassen/Wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen? Wir!/Wer hat den Mut, für euch sich zu schämen? Wir!/Wer lässt sich unsere Zukunft nicht nehmen? Wir!/Wer sieht euch alte Kirchen beschmieren und muss vor euch jede Achtung verlieren? (…) Wer hat sogar so ähnliche Maschen, auch lange Haare, nur sind sie gewaschen? Wir! Wir! Wir!«
Freddy Quinn hat später versucht, diese rechte Entgleisung herunterzuspielen. Das hatten die milden alten Travellers nicht nötig, die mochten die Hippies!