»Warum Israel« in einem Hamburger Kino, zweiter Versuch

Normalität im Unnormalen

Den zweiten Versuch, Claude Lanzmanns Film »Warum Israel« im Hamburger Kino B-Movie zu zeigen, versuchten Antizionisten mit einer als »Kundgebung zum Klimaschutz« getarnten Gegenveranstaltung zu verhindern.

Knapp 500 Leute sammeln sich am frühen Sonntagnachmittag vor der Roten Flora in Hamburg. Nach der gewaltsamen Blockade von Claude Lanzmanns »Warum Israel« im Oktober wird der Film an diesem Tag gezeigt. Zuvor soll gemeinsam gegen Antisemitismus »auch von links« demon­striert werden. Man sieht rote Fahnen, einige israelische Fahnen und irgendwo dazwischen einmal Stars and Stripes. Ein iranischer Freund, überzeugter Marxist bis heute, bemerkt trocken, dass die Mullahs ihn jetzt so weit hätten, dass er sogar hinter diesen Fahnen marschiere.
Nach einer Weile setzt sich die Demonstration in Bewegung. Die Redebeiträge lassen die Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre Revue passieren. Die Attacke auf das Kino sei nicht der erste Versuch aus den Reihen des Internationalen Zentrums B5 gewesen, die Autonomie linker Projekte einzuschränken. Andere Redner weisen darauf hin, dass eine linke Analyse, die Antisemitismus ignoriert, eben keine linke Analyse mehr ist. Es gelte, die Kreise zu isolieren, von denen in den letzten Jahren wiederholt gewaltsame Angriffe auf kritische Linke ausgegangen seien.

Während der Vorbereitung der Demonstration zeigte sich allerdings, dass dies wohl wieder nicht gelingen würde. In der Roten Flora hatten sich einige daran erinnert, dass das Kino einmal einen Porno gezeigt hatte, und dem ganzen Unternehmen per Veto die Solidarität des Gesamtprojektes entzogen. Außerdem gebe es ja diese Bahamas. Die Zeitschrift dient seit Jahren als dankbarer Vorwand, sich nicht zu linkem Antisemitismus zu positionieren. Allerdings hatte deren Chefetage der Hamburger Aktion gegen Antisemitismus ebenfalls die Gnade entzogen: Den hohen Herren in Berlin war sie nicht solidarisch genug mit ­Israel.
Der Weg von der Flora zum Kino ist schnell zurückgelegt. Doch über Nacht sind Parolen entlang der Demonstrationsroute gesprüht worden: »Smash Zionism«, »Antideutsche klatschen«. Am Eingang des Kinos prangt der Schriftzug »Intifada bis zum Sieg«.

Auch der Weg zum Kino ist nicht frei. Eine Polizeikette hundert Meter vor dem Kino lässt niemanden durch. Für den Tag ist eine »Kundgebung zum Klimaschutz« angemeldet, die sich als antizionistische Kampfveranstaltung ent­puppt. So hat es eine ganze Weile den Anschein, als wiederhole sich die Blockade vom Oktober: Vor dem Kino steht eine größere Menschenansammlung, Transparente gegen »Philosemi­tismus« überspannen den Eingang. Die Polizei wirkt konfus und auf die Lage nicht vorbereitet. Auf Nachfragen, wie man denn jetzt zur Filmvorführung gelangen könne, wird auf einen Umweg durch die Seitenstraßen verwiesen – sinnigerweise mitten durch die antizionistische »Klimakundgebung«. Erst auf hartnäckiges Beharren der Demonstrationsleitung öffnet die Polizei ihre Sperre und begleitet das Publikum zum Kino.
Drinnen ist die Atmosphäre erstaunlich entspannt. Das B-Movie gibt sich alle Mühe, das Leitmotiv von Lanzmanns Dokumentation fortzusetzen: den paradoxen Versuch einer Normalität im Unnormalen. Wer sich erst mal unter Polizeischutz durch die Lautsprechertiraden und Por­trätfotografen der Antizionisten durchgearbeitet hat, den erwartet eine normale Vorführung. Selbst der übliche flexible Eintrittspreis wird verlangt: zwischen drei fünfzig und sechs Euro, je nach Selbsteinschätzung. Die einführenden Worte zum Film sind hier üblich, Independent-Kultur alter Schule eben.

Etwas Besonderes ist nur die Verlesung eines Grußwortes von Claude Lanzmann zu Beginn des Filmes. Der Regisseur bedauert, bei der Vorführung nicht anwesend sein zu können, und dankt allen, die sich um seines Films willen Anfeindungen aussetzen mussten. Die anschließenden drei Stunden des Filmes zeigen, dass sich die Mühe gelohnt hat.