Berlin Beatet Bestes, Folge 25

Bahamas vom Trödler

Berlin Beatet Bestes. Folge 25. Tony McKay: The Island Hog Pt.1 & Pt.2 (1969).

Seit Jahren mache ich wöchentlich einen Rundgang durch die Trödel- und Secondhandläden in meinem Viertel und prüfe, ob es was Neues gibt. Aber eigentlich kaufe ich nur in meiner Nachbarschaft Platten. Insbesondere die Platten in einem Laden in einer kleinen Seitenstraße, in der ich wohne, betrachte ich als »meine Platten«. Nur selten verirren sich andere Sammler in das Lädchen. Einmal betrat ich den Laden, sah, dass schon jemand vor mir über einer offensichtlich frisch angekauften Plattenkiste hockte, und sofort schnellte mein Blutdruck in die Höhe. Als der Mann dann auch noch zwei Singles von Jack Hammer (»Kissin’ Twist«) und der Bill Black Combo (»Hearts Of Stone«), komplett mit Cover, aus der Kiste zog, war mein Tag gelaufen.
Vor einigen Jahren stieß ich auf einen ganzen Stapel Northern-Soul- und Funk-Singles. Ich weiß nicht, warum sie in diesem Trödel­laden gelandet waren, ob jemand gestorben war oder ob sie gestohlen wurden, jedenfalls war dies mein bisher größter Fund, zumindest was US-Pressungen angeht: Andre Williams’ »It’s Gonna Be Fine In ’69«/»Do the Popcorn« auf Checker; Vernon Garrets & Marie Franklins »Second to None«/»Without You« auf Venture; Esther Williams’ »He Don’t Ap­preciate It«/»Mama« auf Flying Dutchman und viele mehr. Die meisten davon waren DJ- oder White-Label-Pressungen mit Company Sleeves. Gar nicht zu vergleichen mit dem Material, das sich sonst in Second-Hand-Läden nach Haushaltsauflösungen türmt: Heino, Roy Black und Freddy Quinn. Nach diesem Fund konnte ich jedenfalls als DJ regelrecht kleine Northern-Soul-Sets auflegen.
Die Single von Tony McKay stammt von diesem Stapel, und ich konnte die Musik zunächst nicht einordnen. Es ist kein Soul, kein Rock’n’Roll und kein Rhythm & Blues. Aber was für ein herrlicher Krach! Und wild! Richtig wild!
Erst durch eine Internetrecherche fand ich heraus, dass es sich bei Tony McKay um den berühmten Exuma handelt. Exuma war für seine kaum einzuordnende Musik bekannt: eine Mixtur aus Calypso, Reggae, Voodoo, afrikanischer Musik und Blues. Entdeckt wurde er von Bob Wyld, dem Sänger der Blues Magoos, der Mercury Records 1970 überzeugte, etwas Ähnliches wie Captain Beefheart und Dr. John zu produzieren. Exuma allerdings, der 1941 auf den Bahamas geboren wurde, nahm es mit dem Voodoo ernst. Bis zu seinem Tod 1997 spielte er Musik, die an Verrücktheit und Eigenständigkeit ihresgleichen sucht. Auf den Bahamas ist er eine Legende. Nina Simone nahm drei seiner Songs auf. 1987 wurde er wegen seiner engen Verbindung zur Musik der Bahamas und der Karibik von der britischen Königin Elisabeth II. mit der British Empire Medal ausgezeichnet.
Das Cover meiner Single zeigt Exuma als jungen, wilden Mann in New York. Auf diesen zwei Teilen von »Island Hog« jault und schreit er wie alle Isley Brothers zusammen, aber mit ­einem karibischen Twist: »Now, everybody, let’s do the hog. Island Ho! Like Rock’n’Roll, Oink, oink, oink. Everybody, oink, oink. Scream, baby! Aaaah!«