Die Schweiz und ihre Geschäfte mit dem Iran

Geschäft statt Minarett

Die Schweiz ist einer der wichtigsten Handelspartner des Iran. In der Kampagne gegen die angebliche Islamisierung der Gesellschaft, die zum Minarettbauverbot führte, wurde das kaum thematisiert.

Würden sich die Schweizer wirklich Sorgen um das Vordringen des radikalen Islam machen, hätten sie kein Volksbegehren gegen den Bau von Minaretten zu veranstalten brauchen. Einmal abgesehen von den Milliardenbeträgen, die arabisch-islamischen Autokraten gehören und die auf Schweizer Banken liegen, und deren Beschlagnahmung bekanntlich noch kein Politiker der Schweizer Volkspartei gefordert hat. Eine sinnvolle Kritik der islamischen Erweckungsbewegung müsste sich gegen die Kollaboration der schweizerischen Politik und Wirtschaft mit der »Islamischen Republik« im Iran wenden.

Deutschland und Österreich zählen in der EU zu den wichtigsten Handelspartnern des Iran. Doch in kaum einem europäischen Land wird die Kooperation mit der »Islamischen Republik« dermaßen unverfroren betrieben wie in der Schweiz. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten stellte auch nach der versuchten Niederschlagung der iranischen Freiheitsbewegung fest: »Der Iran und die Schweiz pflegen gute bilaterale Beziehungen.« Und die iranische Botschaft in Bern ergänzt: »Die Beziehungen der Islamischen Republik Iran zur Schweizerischen Eidgenossenschaft entwickelten sich (…) sehr gut und freundschaftlich.«
Nach 1979 war die Schweiz das vierte Land, in das die Ayatollahs einen neuen Botschafter entsandten. In den vergangenen Jahren besuchten hochrangige Politiker einander wiederholt. 2000 kam der damalige iranische Außenminister Kamal Kharrazi nach Bern, 2001 sein Stellvertreter Ali Ahani. 2001 und 2003 reiste der Schweizer Wirtschaftsminister in den Iran, 2001 und 2002 der Außenminister. Im April 2009 empfing Bundespräsident Hans-Rudolf Merz Mahmoud Ahmadinejad in Genf, die schweizerischen Vertreter blieben während Ahmadinejads Hetzrede auf der Antirassismuskonferenz der Vereinten Nationen im Saal sitzen.
Die guten politischen Beziehungen liefern die Grundlage für enge Wirtschaftskontakte. 1998 wurde ein Investitionsschutzabkommen geschlossen, 2002 eines zur Doppelbesteuerung und 2004 ein Luftverkehrsabkommen. Ein 2005 unterzeichnetes Handelsabkommen harrt noch der Ratifizierung. Seit 2003 führt die Regierung offiziell einen »Menschenrechtsdialog« mit dem Iran, um den hervorragenden Wirtschaftskontakten einen humanitären Anstrich zu verleihen, was ihr bisher allerdings nicht einmal in der Schweiz selbst gelingt.
Nach Angaben des Schweizer Außenministeriums ist der Iran »einer der wichtigsten Handelspartner der Schweiz im Mittleren Osten«. Zwar haben sich Schweizer Großbanken wie Crédit Suiss und UBS wegen des Drucks aus den USA weitgehend aus dem Geschäft mit dem Iran zurückgezogen, aber im Jahr 2008 wurden Waren im Wert von 846 Millionen Schweizer Franken in den Iran exportiert, was einen Anstieg von etwa 100 Millionen Franken im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Nach Angaben der Schweizer Botschafterin in Teheran, Livia Leu Agosti, haben »gut 15 Firmen« aus der Schweiz eine eigene Niederlassung im Iran. Auf der Iran Oil Show 2008 waren mit Bühler Technologies, Sulzer, Zeochem und Telsonic wichtige schweizerische Unternehmen vertreten. Der Energie- und Automationstechnikkonzern ABB erhielt 2004 Aufträge im Wert von 33 Millionen Franken aus dem Iran. Die Großunternehmen SGS, Nestlé, Roche und Novartis sind im Iran ebenso aktiv wie der Zementkonzern Holcim, der 49,9 Prozent an dem Unternehmen Espandar Cement Investment Co. in Teheran hält.

Zum bisher wichtigsten Geschäftsabschluss zwischen den beiden Ländern kam es im März 2008. Im Zusammenhang mit dem Projekt Trans Adriatic Pipeline brachte die schweizerische Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg ein Geschäft mit der staatlichen National Iranian Gas Export Company im Wert von 20 Milliarden Schweizer Franken unter Dach und Fach. Von 2011 an sollen jährlich rund 5,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus dem Iran geliefert werden. Die Laufzeit der im Vertrag festgelegten Lieferungen beträgt 25 Jahre. Dadurch würde die Schweiz endgültig zu einem strategischen Partner des iranischen Regimes.
Für den Abschluss des Milliardendeals der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg war Außenministerin Micheline Calmy-Rey auf Bitten des iranischen Regimes 2008 eigens nach Teheran gereist und ließ sich samt Kopftuch freundlich lächelnd mit Ahmadinejad ablichten (Jungle World 14/08).
Es verwundert daher kaum, dass die Kritik am Schweizer Minarettbauverbot für iranische Verhältnisse eher zurückhaltend ausfällt. Die Schweizer Botschafterin wurde einbestellt, und in einem Telefongespräch zwischen guten Bekannten äußerte Außenminister Manuchehr Mottaki gegenüber seiner Amtskollegin Calmy-Rey seinen Unmut und forderte, das Verbot nicht umzusetzen. Doch selbst diese vergleichsweise verhaltene Reaktion zeigt das Missverhältnis in den Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Iran auf. Würde man in der Schweiz auch nur annähernd ähnliche Maßstäbe an die Beurteilung der politischen Situation im Iran anlegen, müsste sie den iranischen Botschafter mehrfach täglich einbestellen.
Jede Firma, die heute im Iran Geschäfte macht, muss sich allein schon aufgrund des enormen Einflusses der Revolutionsgarden die Frage gefallen lassen, inwiefern sie den Terror des Regimes und die nukleare Aufrüstung direkt oder indirekt mitfinanziert. Die Elitetruppen des Regimes, die mittlerweile bis zu 70 Prozent der Wirtschaft und 80 Prozent des Außenhandels kontrollieren sollen, spielten nicht nur eine wichtige Rolle bei der versuchten Niederschlagung der Freiheitsbewegung nach der Farce der Präsidentenwahl im Juni, sondern beaufsichtigen auch das ballistische Raketenprogramm und das Nuklearwaffenprogramm des Regimes.

Einige schweizerische Firmen haben damit aber offensichtlich kein Problem. Vor drei Wochen wurde durch Berichte des Schweizer Fernsehens bekannt, dass der Rüstungskonzern Oerlikon Contraves, der sich heute im Besitz der deutschen Rheinmetall Air Defence befindet, bis mindestens Ende der neunziger Jahre Kanonen, Produktionslizenzen sowie Waffen-Fertigungsmaschinen an den Iran geliefert haben soll. Da für derartige Waren keine Exportbewilligungen zu bekommen waren, sei über Singapur geliefert worden. Das wäre nach Angaben des Schweizer Wirtschaftsministeriums auch heute möglich. Die Kanonen von Oerlikon dienen heute der Verteidigung der Urananreicherungsanlage in Natanz gegen eventuelle Angriffe und sollen beim Manöver im November im Iran zum Einsatz gekommen sein.
Bei einer möglichen Sanktionspolitik gegenüber dem iranischen Regime könnte die Schweiz, so sie denn wollte, eine entscheidende Rolle spielen. Der überwiegende Teil der vom Iran dringend benötigten Benzinlieferungen wird heute weltweit von nur vier Firmen zur Verfügung gestellt, drei davon befinden sich in der Schweiz oder sind schweizerisch-holländische Unternehmen: Vitol, Trafigura und Glencore. Der Iran verfügt zwar über die drittgrößten Ölvorkommen der Welt, ist aber wegen fehlender Raffineriekapazitäten auf massive Treibstoffimporte angewiesen. Das Land muss jeden Tag rund 26 Millionen Liter Benzin einführen, was etwa 35 Prozent des Gesamtbedarfs ausmacht und eine der größten Schwächen der iranischen Ökonomie darstellt. Doch während das Parlament in den Niederlanden in einer Abstimmung Ende November die Regierung immerhin aufforderte, sich auf europäischer Ebene für die Aufnahme der Revolutionsgarden in die EU-Terrorliste einzusetzen, sieht es in der Schweiz, ähnlich wie in Deutschland und Österreich, bisher nicht so aus, als wären die Politik und die Wirtschaft ohne massiven Druck von außen dazu zu bewegen, scharfe und unverzügliche Sanktionen mitzutragen. Im Oktober besuchte wieder eine schweizerische Wirtschaftsdelegation unter Leitung von Eric Bliesel von der Handels- und Wirtschaftskammer in Genf die iranische Handelskammer in Teheran. Und die Schweizer Bevölkerung diskutiert offensichtlich lieber über vier Minarette, als sich Gedanken über die fortgesetzte eidgenössische Unterstützung des antisemitischen iranischen Regimes zu machen, das mit seinem Aufrüstungsprogramm keineswegs nur für Israel eine massive Bedrohung darstellt und, wie beim »Tag des Studenten« am Montag voriger Woche zu sehen war, immer brutaler gegen die Freiheitsbewegung im eigenen Land vorgeht.