Machtkampf auf den Philippinen

Kenne deine Feinde!

Auf den Philippinen wurden 57 Menschen ermordet, um die unerwünschte Kandidatur eines Politikers zu verhindern. Verantwortlich für das Massaker ist ein Clanführer, der zu den Verbündeten der Präsidentin zählte.

Esmael Mangudadatu kannte das Risiko seiner Kandidatur bei den Gouverneurswahlen. Er hatte, wie er sagte, bereits Morddrohungen von Politikern des Ampatuan-Clans erhalten. Die für eine Kandidatur erforderlichen Unterlagen selbst bei der Wahlbehörde Comelec einzureichen, wagte er nicht, da Polizei und Militär ihm den Schutz verweigerten. Doch er glaubte, dass seine Feinde es nicht wagen würden, einen Konvoi anzugreifen, in dem sich neben seiner Ehefrau Genalyn Tiamzon-Mangudadatu Dutzende von Unterstützern und Beobachtern befinden, unter ihnen 31 Journalisten sowie Anwälte und Menschenrechtler.
Das erwies sich als Irrtum. Der Konvoi wurde von mehr als 100 bewaffneten Männern angehalten, darunter Mitglieder der örtlichen Polizei und Paramilitärs der Ampatuan-Familie. Sie entführten die Insassen der Fahrzeuge, Zeugenaussagen zufolge erschoss Andal Ampatuan Junior, amtierender Bürgermeister von Datu Unsay und Anwärter auf den Gouverneursposten, persönlich zuerst Frau Mangudadatu. Einige Entführte wurden gefoltert und vergewaltigt, 57 Menschen wurden ermordet. Andal Ampatuan Jr. wurde einige Tage nach der Tat festgenommen, ihn belasten die Aussagen zweier Zeugen.
Am Tag der Tat wurde der Notstand in Maguin­danao und zwei angrenzenden Provinzen ausgerufen, Anfang Dezember dann sogar das Kriegsrecht. Am Mittwoch der vergangenen Woche teilte die Polizei mit, man habe 161 Verdächtige identifiziert. Der amtierende Gouverneur Andal Ampatuan Senior sowie weitere Angehörige des Clans wurden festgenommen.

Das Massaker ist nicht nur eine regionale Angelegenheit, denn Ampatuan war ein Verbündeter der Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo. Der Familienclan gehört zur alteingesessenen Oligarchie Mindanaos. Er stellt in 16 von 22 Provinzgemeinden die Bürgermeister und war bis vor kurzem eng verbündet mit der Familie Mangudadatu. Diese gehört zu den aufstrebenden Familien und hatte an wirtschaftlicher und politischer Macht gewinnen können. Die Konkurrenz um politische Posten führte dann zum Streit. Doch das Massaker von Maguindanao ist mehr als eine Fehde zwischen verfeindeten Clans. Drei strukturelle Ursachen lassen sich ausmachen.
Gewalt ist in philippinischen Wahlkämpfen ein häufig gebrauchtes Mittel. Während der Wahlen im Jahr 2001 starben den Polizeiangaben zufolge über 1 000 und 2004 noch über 180 Menschen. Bei den Wahlen 2007, die die Comelec als »relativ friedlich« klassifizierte, verloren 126 Menschen ihr Leben. Ungewöhnlich ist nur das Ausmaß der Gewalt in Maguindanao.
Bei den Wahlen im Mai 2010 darf Arroyo nicht mehr kandidieren, ein weiterer Anstieg der Op­fer­zahl ist zu befürchten. Die Wahlen in Maguin­danao waren in der Vergangenheit von strategischer Bedeutung. Die Ampatuans waren nicht nur Mitglieder von Arroyos Partei Lakas Kampi CMD, sondern sicherten der Präsidentin 2004 den Wahlsieg. Ihr Konkurrent, der äußerst populäre Schauspieler Fernando Poe, erhielt in einigen Ortschaften Maguindanaos keine einzige Stimme, Arroyo hingegen gewann zum Teil mehr Stimmen, als Wähler registriert waren (Jungle World 22/04). Doch nun geht Arroyo auf Distanz. Nach dem Massaker wurden die Ampatuans aus der Partei ausgeschlossen, und der Präsidentschaftskandidat der Lakas Kampi CMD begleitete Esmael Mangudadatu zur Wahlbehörde, um dessen Kandidatur anzumelden.
Der Gouverneur von Maguindanao hatte für die Zentralregierung auch eine militärische Bedeutung. Ampatuan Senior war bislang ein lokaler Kommandant der Paramilitärs und galt als verlässlicher Partner, den man im Kampf gegen die sezessionistische Milf (Moro Islamic Liberation Front) in der Region benötigte. Die Militarisierung der Region ist die zweite Ursache des Massakers. Die Ampatuans kontrollieren die Polizei, die traditionell den lokalen und nicht den zen­tralstaat­lichen Behörden unterstellt ist, und gebieten über eine Privatarmee.

Solche paramilitärischen Verbände hat Arroyo mit der Exekutivorder 546 im August 2006 quasi legalisiert, da sie den staatlichen Sicherheitskräften zur »Sicherung von Ruhe und Ordnung« unterstellt werden können. Diese Legalisierung war eine Belohnung für die Ampatuans und ähnliche Clans, die solche Hilfstruppen auch für private Zwecke einsetzen.
So überrascht es wenig, dass die Ermittler bei Durchsuchungen der Häuser der Ampatuans genügend Waffen fanden, um »mehr als drei Militärbataillone« (rund 3 000 Soldaten) auszurüsten. Leila de Lima von der Commission of Human Rights der Philippinen warf dem Ampatuan-Clan vor, bereits vor dem Massaker 200 Menschen ermordet zu haben.
Die Menschen vor Ort schwiegen bisher, da sie Angst haben. Seit der Amtsübernahme Arroyos im Jahr 2001 hat sich eine politische Kultur der Straflosigkeit etabliert. Auf diese dritte Ursache wies der UN-Menschenrechtsermittler Philip Alston schon vor zwei Jahren in einem Bericht hin, der die Regierung und das Militär scharf kritisierte. In der Amtszeit der Arroyos wurden mehr als 1 000 Menschen Opfer von politisch motivierten Morden, weitere 200 sind »verschwunden«. Kein einziger Fall konnte bisher aufgeklärt werden.

Die Opfer sind zumeist Kritiker der Regierung, überwiegend Journalisten und Mitglieder von Kirchen und sozialen Bewegungen. Bereits im Jahr 2004 war eine Power-Point-Präsentation des Militärs unter dem Namen »Knowing Your Enemy« bekannt geworden, die Schulungszwecken dienen sollte. Tatsächlich scheint es sich um eine Art Todesliste gehandelt zu haben, denn vor allem Mitglieder dort erwähnter Organisationen wurden Opfer von Gewalt. In einzelnen Fällen konnte eine direkte Beteiligung des Militärs nachgewiesen werden, Konsequenzen gab es nicht.
Trotz all dieser Kritik ist Arroyo vornehmlich damit beschäftigt, ihren Einfluss über die nächste Wahl hinaus zu sichern. Da die Verfassung ihr eine weitere Kandidatur verbietet, tritt sie als Abgeordnete für ihre Heimatprovinz Pampanga an. Der politischen Führung anzugehören, liegt nicht, wie sie behauptet, in ihren Genen, es ist jedoch in ihrem Interesse, da sie mit einer Strafverfolgung wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen rechnen müsste. Als Abgeordnete genösse sie Immunität, überdies könnte sie auf eine Verfassungsänderung hinarbeiten und vielleicht noch einmal Staatsoberhaupt werden.
Für den Schutz der Journalisten setzt sich derweil Manilas stellvertretender Bürgermeister Francisco Domagoso ein, allerdings auf etwas eigenwillige Art. Die Regierung solle ihnen »erlauben, Waffen zu tragen, insbesondere in der Zeit des Wahlkampfs«.