Steine gegen fremde Ideen

Darf eine Frau Häuptling sein? Elizabeth Simbiwa Sogbo-Tortu hatte die erforderliche Qualifikation für den Posten des paramount chief, sie kam aus der richtigen Familie, und nach dem Senioritätsprinzip hätte man ihr den Vorzug geben müssen. Den Posten bekam jedoch ihr Neffe. Das will Sogbo-Tortu nicht akzeptieren: »Es ist mein Recht als Frau, paramount chief in meinem Heimatdistrikt zu werden.« Sie klagte in der Hauptstadt Freetown, auch im Namen »aller Frauen im ganzen Land«, verlor jedoch in der ersten Instanz. Bei der Rückkehr wurde sie von Polizisten, UN-Mitarbeitern und Frauenrechtlerinnen begleitet, dennoch wurde der Konvoi in der Stadt Sewase mit Steinen beworfen, ihr Haus wird belagert, und ihre Anhänger wurden angegriffen. Gegen Sogbo-Tortus Kandidatur kämpfen vor allem Mitglieder der Poro, einer Männern vorbehaltenen Geheimgesellschaft.
Nach dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2002 wurden die traditionellen Institutionen wieder aufgebaut und in das politische System integriert. Die Chiefs sollen zur gesellschaftlichen Stabilisierung beitragen und helfen, die Kluft zwischen den Politikern in der Hauptstadt und der Landbevölkerung zu überbrücken. Dementsprechend groß ist der Einfluss der zwölf paramount chiefs des Landes, die auch parteilose Parlamentsabgeordnete sind. Sie wehren sich nicht grundsätzlich gegen Veränderungen, ein Anfang November von ihnen erstellter Bericht trägt den Titel »Reform ist nicht gegen die Tradition«. Allzuviel Reform soll es aber auch nicht sein, der Bericht warnt, »fremde Ideen« könnten »Frieden und soziale Ordnung« gefährden. Die Regierung versucht, sich aus der Debatte herauszuhalten, da sie weder die patriarchalen Traditionalisten noch die weiblichen Wähler verärgern will. Die Entscheidung über Sogbo-Tortus Kandidatur wird nun wohl das Verfassungsgericht treffen.   js