Streit um Rosenkohl – Rosenkohl ist der edelste Kohl

Die Krone der Gemüseschöpfungen

Leicht zuzubereiten und delikat im Geschmack: Rosenkohl ist der edelste Kohl.

Zugegeben, es gibt glamouröseres Gemüse. Der lindgrüne Blumenkohlverwandte Romanesco beispielsweise sieht mit seinen an Fraktale erinnernden Fibonacci-Spiralen schon extrem hip aus, den hochdekorativen Brokkoli könnte man zur Not auch in eine Vase stellen, und Möhren, nun, Möhren sind hübsch gefärbt und allein schon deswegen schön.

Der arme kleine Rosenkohl ist dagegen ein echtes Unglückswürmchen. Ausgestattet mit einem gleichermaßen schönen wie irreführenden Namen – den sich zweifellos jemand ausgedacht hat, dem gerade danach war, ganz besonders garstig zu dem winzigen, wehrlosen Gemüse zu sein –, hat er leider nur ganz wenig mit der Blume zu tun, die der Mythologie nach zusammen mit Aphrodite aus Meerschaum geboren wurde. Ganz wenig meint an dieser Stelle übrigens Wurzeln. Die traurige Wahrheit ist: Der knurpselige Mini-Kohl sieht übel aus, riecht fies und ist dazu auch noch ziemlich umständlich zu handhaben.
In dem Moment, in dem man ihn zu Hause auspackt und zubereiten will, gehen die Probleme schon los. Rosenkohl wird nämlich in grobmaschigen Netzen verpackt, die, falls sie aus Kunststoff bestehen, unkaputtbar sind und zu ganz bösen Schnittwunden führen können, wenn man versucht, sie mit den Fingern aufzureißen. Hat man dagegen Glück und die kleinen Knollen wurden in Netze aus, hmmm, Nichtkunststoff gesteckt, bleibt das Ergebnis gleichwohl bis auf ausbleibende tiefe Wunden dasselbe, nämlich kullernder Kohl. Brassica oleracea var. gemmifera, wie das grüne Geknurpsel auf Botanisch heißt, hat schließlich die unangenehme Eigenschaft, nicht still herumliegen zu können, nein nein, ständig muss es wegrollen und anschließend von der Arbeitsfläche herunterfallen. Was sehr nervt, weil man mit dem Einsammeln der hyperaktiven Rosenköhlchen an schlechten Tagen länger beschäftigt ist als mit dem späteren Aufessen.
Aber sollte das nicht ein Pro-Rosenkohl-Beitrag sein? Nun, das ist der Pro-Rosenkohl-Beitrag, und daher kommen wir endlich zum Wichtigsten, nämlich zum Geschmack. Hat man das Gemüse leidlich vollzählig endlich in den Kochtopf geworfen, braucht man im Grunde nicht mehr viel zu tun, außer sich auf ein richtig leckeres Essen zu freuen. Und vielleicht hin und wieder zu sagen: »Du wirst sehen, das schmeckt echt viel besser, als es riecht«, falls man das Unglück hat, mit einem echten Rosenkohlhasser die Wohnung und das Leben zu teilen, was wirklich anstrengend sein kann. Vor allem dann, wenn dieser stur darauf beharrt, dass etwas, was derartig, nun, sagen wir die Wahrheit, stinkt, keinesfalls zum Verzehr geeignet sein kann. Was natürlich nicht stimmt, wie unzählige andere Beispiel aus der Lebensmittelwelt belegen.

Sind die kleinen Stinker einmal im Kochtopf, kann man eigentlich kaum noch etwas falsch machen, vorausgesetzt, man kocht sie nicht viel zu kurz. Einfach nur in Salzwasser gegart, schmecken die Knospen schon verdammt lecker. Man kann sie aber auch mit geschälten Tomaten kochen, man kann sie mit Crème fraÎche verfeinern oder auch in einen Auflauf stecken. Besonders lecker sind sie, wenn man sie pur unter Kartoffelpüree hebt und damit prima Rosenkohlmatsch fabriziert. Raffinierte Rezepte sucht man übrigens vergeblich, vielleicht, weil den meisten Köchen das Gemüse zu unglamourös ist, vielleicht aber auch nur, weil es so unnötig ist, hochkompliziertes Zeugs mit etwas anzustellen, was pur schon so gut schmeckt.
Rosenkohl ist, anders als seine größeren Kohlbrüder, ein sehr zartes Gemüse. Man muss ihn nicht in klitzekleine Stücke schneiden, man muss ihn nicht erst ewig einlegen, um ihn genießbar zu machen, und dazu ist er auch noch sehr gesund. Außerdem gibt es keine vernünftigen Gründe, Rosenkohl nicht essen zu wollen, vor allem, wenn man mit dem Auspacken und der Wegrollprävention vor dem Kochen nichts zu tun hat.
Gezüchtet wurden die leckeren Knospen übrigens im heutigen Belgien bei Brüssel, wo man ziemlich gut darin war, schickes Gemüse zu basteln. Denn nicht nur die Brüsseler Sprossen, wie der Rosenkohl ursprünglich hieß, stammen aus dieser Gegend, nein, auch der Chicorée wurde dort kreiert. Dass es den Belgiern dabei um den Geschmack ging und nicht etwa einfach nur etwas hauptsächlich Gesundes und bestenfalls halbwegs Essbares gesucht wurde, lässt sich übrigens ganz klar daran erkennen, dass in der gleichen Gegend ein paar Jahre zuvor auch die Pommes frites erfunden worden sind.