Caster Semenya in den Medien

Gender-Voyeure

Wie die Öffentlichkeit den »Fall Caster ­Semenya« inszenierte

Caster Semenya, die südafrikanische Läuferin, die bei der Athletik-WM in Berlin die Goldmedaille im 800-Meter-Lauf gewann, war von Anfang an ein »Fall«. Weil ihre Leistung so sensationell war, vor allem aber, weil sie mit ihrem Körper die Sport- und die Medienwelt in ein Dilemma brachte: Männlein oder Weiblein?
Für die Funktionäre und Mediziner des Leichtathletikverbands ging es darum festzustellen, was Caster Semenya überhaupt ist. Inzwischen hat der IAAF bestätigt, dass Semenya die Goldmedaille behalten darf, eine offizielle Antwort auf die Frage, was Semenyas »wahres Geschlecht« ist, bleibt noch aus. Und der gender trouble geht weiter.
Nach Semenyas Sieg fielen die Medien aller Welt über sie her und interessierten sich nur noch für ihr »wahres Geschlecht«. Ausgelassen wurde darüber diskutiert, ob sie nun ein Mann, oder ein Zwitter sei, ob man doch lieber den Begriff »Hermaphrodit« benutzen solle oder vielleicht »Intersexuell«, was die etwas gender-bewussten Kommentatoren vorzogen. Einig war man sich allerdings in einem Punkt: Eine Frau sei Semenya nicht. Und das aus einem einfachen Grund: Sie sehe einfach nicht »weiblich« aus.
Nicht ein einziges Foto der südafrikanischen Läuferin fand sich in den Bildstrecken »Erfolgreich und sexy: die schönsten Athletinnen der WM« (Bild) und »Schön stark« (Süddeutsche Zeitung), mit denen im Internet die Artikel zum »Fall Semenya« illustriert wurden. Der ästhetische Vergleich mit Sportlerinnen, die zwar ein androgynes Erscheinungsbild haben, jedoch deutlich als Frauen erkennbar sind – und sogar einen Mehrwert an »Schönheit« aufweisen –, bestätigte dabei einen Begriff von »Weiblichkeit« , der als etwas Messbares verstanden wird, wie Hormone oder Blutwerte.
Am »Fall Semenya« konnte man gut verfolgen, wie fremd auch die elementarsten Ansätze der kritischen Gender-Theorie dem herrschenden Diskurs über Geschlecht und Identität noch sind. Dort, wo Geschlechtsidentität ausschließlich durch Körperlichkeit definiert wird, ist kein Platz für Uneindeutigkeiten.
Am drastischsten zeigte es das südafrikanische Magazin You, als es versuchte, die Spekulationen über Semenyas Geschlecht endlich aus der Welt zu schaffen. Aus der angeblichen Nicht-Frau machte die Zeitung eine Frau und präsentierte sie als Cover-Girl im Kleid, mit offenen Haaren, Lippenstift und lackierte Fingernägeln. Dass es hier um eine selbstbestimmte Form des Gender-Performing handelte, wie Judith Butler die soziale Konstruktion Geschlecht nennt, darf bezweifelt werden. Die Inszenierung von Weiblichkeit – genau so wie von Männlichkeit –, die jedem und jeder frei zur Wahl steht, wurde hier zur Maskerade, die der jungen Frau durch den öffentlichen Druck aufgezwungen wurde, um die Aura der Abnormität, die über ihr schwebte, zu relativieren.
Am Anfang der Geschichte von Caster Semenya, wie die Welt sie kennt, waren Gene, Hormone und Geschlechtsorgane sowie die Frage nach der Geschlechtszugehörigkeit, auf die weder die Medizin noch der Sport eine eindeutige Antwort geben konnten. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stand der noch nicht erwachsene Körper einer Frau, der zum Schlachtfeld für Mediziner, Sportfunktionäre und Medien wurde. Am Ende setzte sich die Definitionsmacht eines Diskurses durch, der in jeden Körper die zweigeschlechtliche Gesellschaftsordnung einschreibt.