Der Machtkampf in der Partei »Die Linke«

Es war einmal in Gera

Dietmar Bartsch, der Bundesgeschäftsführer der »Linken«, will nicht mehr für sein Amt kandieren. Er wurde Opfer eines jahrelangen politischen Machtkampfes.
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Schon lange war Dietmar Bartsch dem Lafontaine-Flügel in der Partei »Die Linke« ein Dorn im Auge. Dabei ist Bartsch gar kein Polarisierer, keiner, der radikale politische Ansichten hat. Im Gegenteil steht er wie der Parteivorsitzende Lothar Bisky für jenen Pluralismus, den die Partei sich nach der Wende viele Jahre geleistet hat, der populistischen Zuspitzungen jedoch im Wege stand. Solche aber sind jetzt gefragt. Oskar Lafontaine ist ein Zuspitzer, ein Populist, niemand, der den Zweifel und den Diskurs kultiviert. Er vereinfacht, bringt auf den Punkt, präsentiert sich als Sprecher der »Volksseele« – und ist damit erfolgreich. Es ist das Prinzip Bild-Zeitung. Disput gilt dem Boulevard per se als Affront, Zweifler müssen für ihn Verräter sein.
Dabei ist Bartsch vor allem ein Pragmatiker, hat immer auch den Platz für die Vereinfacher in der Partei verteidigt. »Reformer« zu sein, das hieß ja in der PDS nicht, besonders unrevolutionär oder besonders wenig radikal zu sein, sondern aus dem alten SED-Parteiapparat eine offene, lebendige, demokratische Partei zu formen. Und das ist in der Tat heute noch Bartschs Anliegen. Lafontaine jedoch wünscht sich wie die Traditionskommunisten die Partei als Apparat. Und das ist einer der wirklich unanständigen Berührungspunkte zwischen dem Sozialdemokraten Lafontaine und der Kommunistin Sahra Wagenknecht.
Dass jenes merkwürdige, beim Parteitag in Gera 2002 entstandene und durch die Fusion mit Lafontaines Wasg gestärkte Bündnis zwischen ehemaligen SPD-Kadern, Kommunistischer Plattform, trotzkistischen Sekten und DDR-nostalgischen Traditionsmarxisten seit Monaten an der Demontage Bartschs gearbeitet hat, ist nur damit zu erklären, dass es eben nicht um Bartsch geht. Alle Kolportagen, die Bartsch, den verschiedenen Kolportagen zufolge, kolportiert haben soll, waren seit Monaten, wenn nicht Jahren, an allen Ecken und Enden im Karl-Liebknecht-Haus und in der Bundestagsfraktion zu vernehmen.
Lafontaine selbst hat nicht ein öffentliches Wort zu dem Konflikt geäußert. Er hat westdeutsche Landesvorsitzende reden lassen – und Gregor Gysi, der seinem alten Weggefährten Bartsch schließlich das Messer in den Rücken bohrte. 2002 in Gera, da hatte ein Flügelkampf schon einmal mit dem Sieg der Anti-Bartsch-Fraktion geendet und zum Rückzug von Bartsch und anderen Reformern geführt. Damals fehlte den Reformgegnern eine Führungsperson. Die Überläufer aus der SPD, Diether Dehm und Uwe Hiksch, hatten nicht das Format eines Lafontaine – und noch weniger die hilflos wie eine Marionette zappelnde damalige Parteivorsitzende Gabi Zimmer.
Nach dem Machtverlust von Gera trafen sich Bartsch, Gysi, Bisky und andere höchst besorgte Reformer in Gysis Wohnzimmer in Pankow, diskutierten darüber, wie es weitergehen könne, und sogar über die Gründung einer neuen Partei. Sie entschlossen sich jedoch, gemeinsam daran zu arbeiten, die alten Machtverhältnisse möglichst schnell wiederherzustellen. Und siehe da: Es dauerte nicht lange und Lothar Bisky war wieder Parteivorsitzender, Gysi Fraktionsvorsitzender und Bartsch Bundesgeschäftsführer.
Lothar Bisky hat sich auch diesmal hinter Bartsch gestellt. Gysi nicht. Obwohl er Bartsch großzügig anbot, stellvertretender Fraktionsvorsitzender zu werden, hat sich Gysi mit seiner Intervention strategisch und auch politisch positioniert, gegen Bartsch und Bisky, für Lafontaine. Kein Wunder, dass jene in der Partei, die dem Reformer-Flügel nahe stehen, stark beunruhigt sind.