Gespräch mit Dorthée Menzner über die Kriminalisierung der Protestaktionen

»Friedliche Blockaden sollen kriminalisiert werden«

Am Mittwoch voriger Woche geriet die Bundestagsabgeordnete Dorothée Menzner von der Partei »Die Linke« in Konflikt mit der Polizei, weil sie in Berlin Plakate mit der Aufschrift »13. 2. 2010 Dresden. Kein Naziaufmarsch. Gemeinsam blockieren« aufgehängt hatte.
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Sie wurden von der Polizei vorläufig festgenommen, was ist passiert?
Wegen der Durchsuchungen am Dienstag und der Beschlagnahmungen des Plakats in Dresden hatte unser Jugendverband SDS aufgerufen, sich am folgenden Tag abends in der Parteizentrale, dem Karl-Liebknecht-Haus, zu treffen und gemeinsam plakatieren zu gehen. Es waren mehrere Bundestagsabgeordnete da, und wir haben Gruppen gebildet. Ich bin mit vier jungen Leuten die Schönhauser Allee entlanggezogen, und wir haben in Gaststätten gefragt, ob wir dort das Plakat aufhängen dürfen. Die Resonanz war enorm, sehr positiv. Ich hatte noch einen Anschlusstermin und habe mich von der Gruppe verabschiedet. Kaum war ich weg, da riefen die mich auf dem Han­dy an und sagten, dass die Polizei gekommen sei und dass sie festgehalten würden. Ich bin sofort umgekehrt. Die Polizisten wollten mich weg­schicken und sagten mir, sie würden die jungen Leute mit zur Wache nehmen. Da habe ich gesagt, dass wir bis vor ein paar Minuten gemeinsam plakatiert hätten, und wenn die mitgenommen würden, dann müsse man mich auch mitnehmen. Daraufhin wurden wir alle fünf zur nächstgelegenen Wache gebracht. Zwei der Jugendlichen wurden mit Handschellen aneinandergefesselt aufs Revier gefahren. Völlig unverhältnismäßig! Es wurden dann die Plakate beschlagnahmt und sehr umständlich unsere Personalien aufgenommen.
Was hat man Ihnen denn vorgeworfen?
Uns wurde angekündigt, dass wir eine Anzeige wegen der Aufforderung zu einer Straftat bekommen würden. Die Beamten meinten, die Plakate seien in Dresden verboten, und sie würden davon ausgehen, dass sie in Berlin auch strafbar seien. Es geht konkret um die Parole »Gemeinsam blockieren«. Ich kenne bisher nur Urteile, wonach friedliche Blockaden gegen Nazis nicht als Straftat bewertet wurden. Ich bin auch nicht bereit, eine friedliche Blockade kriminalisieren zu lassen. Ich finde es sehr fragwürdig, wenn auf der einen Seite regelmäßig von allen möglichen gesellschaft­lichen Gruppen ziviler Widerstand gegen faschistische Aufzüge, Parteien und Umtriebe angemahnt wird und auf der anderen Seite dann junge Menschen, die sich dementsprechend einbringen, sich engagieren, kriminalisiert werden. Das ist nicht hinnehmbar.
Bisher hat die Stadt Dresden mit dem großen gemeinsamen Protest gegen den jährlichen Naziaufmarsch im Februar ja eher für sich geworben. Wieso ist das in diesem Jahr anders?
Das kann ich als Abgeordnete aus Niedersachsen schlecht beurteilen, aber es ist sicher kein Zufall, dass gerade im sächsischen Landtag auch das Ver­sammlungsgesetz verändert wird. Ich halte es für sehr bedenklich, dass demokratische Grundrechte – das Demonstrationsrecht und die freie Meinungsäußerung – für alle so massiv eingeschränkt werden. Ein ähnlicher Antrag liegt jetzt auch dem niedersächsischen Landtag zur Beschlussfassung vor. Ich denke, dass man Naziaufmärsche auch mit der geltenden Rechtslage verbieten könnte.
Also ist das staatliche Vorgehen kein rein sächsisches Phänomen?
Wer die Haushaltsrede der neuen Familienministerin Kristina Köhler gehört hat, die ja erst lebhaft und engagiert wurde, als sie erklärte, dass nun aus ihrem Ressort endlich auch Mittel gegen Linksextreme zur Verfügung gestellt würden, der sieht, dass die schwarz-gelbe Koalition vom Bund aus auch eine ganz neue Gangart vorlegen wird.
Und Ihr weiteres Vorgehen?
Wir werden weiter mit diesem Plakat werben. Es wurden bereits Plakate nachgedruckt. Ich habe den Eindruck, dass sowohl die Durchsuchung als auch dieser Vorfall von Mittwochabend noch einmal zur Mobilisierung beigetragen haben. Ich bin also guter Dinge, dass viele Menschen zum Protest nach Dresden fahren werden. Ob aus dem Strafverfahren gegen mich und die vier anderen etwas wird, werden wir in aller Ruhe abwarten.