Die Parteispenden

Ich kaufe ein F, ein D und ein P

Mit den jüngsten Parteispenden hat die Käuflichkeit von Parteien eine neue Dimension erreicht.

Gute vier Monate nach der Bundestagswahl macht die schwarz-gelbe Koalition nicht nur einen desolat-zänkischen Eindruck. Allmählich kommen Details über Parteispenden ans Licht, die die Koalitionäre immer mehr als von Lobbyisten und Kapitalinteressen ferngesteuert wirken lassen. Nun ist es sicherlich nichts Neues, dass die etablierten Parteien sich den Profitraten der großen Konzerne verpflichtet fühlen, die ihnen als Maßstab ökonomischer Vernunft gelten. Die Dimension der Käuflichkeit, die die FDP inzwischen erreicht hat, war allerdings bisher nicht ersichtlich.

Den Skandal um die Zuwendungen eines Miteigentümers des Mövenpick-Konzerns fasst der Verein Lobby-Control in seiner Darstellung der Ereignisse folgendermaßen zusammen: Eine Hotel-Kette, die zuvor nicht als Großspenderin in Erscheinung getreten ist, beginnt im September 2008 damit, viel Geld an die FDP zu überweisen. Die FDP nimmt die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotels in ihr Wahlprogramm auf. Das Unternehmen spendet weiter. Die FDP gelangt mit der Bundestagswahl im September 2009 an die Regierung und setzt kurz darauf die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent durch.
Insgesamt hat die FDP 1,1 Millionen von der Substantia AG erhalten, die zum verzweigten Firmen-Imperium des August Baron von Finck gehört, dessen Familie die Mövenpick-Gruppe besitzt. Mövenpick betreibt in Deutschland 14 Hotels, Baron von Finck gehört zu den reichsten Bürgern des Landes.
Wie zu Beginn der Woche darüber hinaus bekannt wurde, soll die FDP auch ihre Meinung über die Solarenergie geändert haben, nachdem der Parteivorsitzende Guido Westerwelle im September an einem Spenden-Abendessen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Solarworld AG, Frank Asbeck, teilgenommen hatte. Das berichtete der Spiegel. Ursprünglich habe die FDP die staatliche Förderung von Fotovoltaik-Anlagen um mindestens 30 Prozent kappen wollen. Inzwischen hat die Bundesregierung angekündigt, die Fördermittel für Solarstrom lediglich um 15 Prozent zu kürzen. Die Firma Solarworld AG hat ihren Konzernsitz in Bonn, Westerwelles Wahlkreis. Die FDP bestreitet, dass die Spende Einfluss auf die Entscheidung gehabt habe.
Eher in den Bereich »Skurriles« dürfte fallen, dass eine private Krankenversicherung offen Mitgliederwerbung für die FDP betreibt und umgekehrt. Das berichtete die Süddeutsche Zeitung am 21. Januar über die Deutsche Krankenversicherung (DKV), die in Köln ansässig ist. »Exklusiv für FDP-Mitglieder« gibt es fünf Prozent Rabatt, die Logos der Partei und der Versicherung prangen nebeneinander auf der Internetseite der DKV. Die FDP macht sich zum Markenprodukt und vollends zum Hanswurst ökonomischer Interessen. Und damit wird allmählich auch klar, was die verwunderlichen, auf bestimmte Interessengruppen zugeschnittenen Steuersenkungen aus dem »Wachstumsbeschleunigungsgesetz« eigentlich sollten und warum die FDP-Führung selbst gegen das sonst so wirksame Argument der leeren Kassen versessen darauf war, die versprochenen Steuersenkungen durchzusetzen. Offenbar waren Westerwelle, Niebel und Konsorten einfach mächtig unter Druck, für ihr Geld die erwarteten Gegenleistungen zu erbringen, um auch in Zukunft großzügig bedacht zu werden.

Zwar hat auch die CDU zum neuerlichen Spendensumpf beigetragen. So spendeten Mitglieder der Milliardärsfamilien Quandt und Klatten kurz nach der Bundestagswahl insgesamt 450 000 Euro an die CDU. Noch bevor die Spende der BMW-Großaktionäre bekannt wurde, hätten »Union und FDP einen neuen Rabatt bei der Besteuerung von Jahreswagen für Mitarbeiter und ebenso einen weiteren Steuerrabatt für die Privatnutzung von Firmenwagen« vereinbart, berichtete der Spiegel. Die inhaltliche Selbstentleerung und warenförmige Zurichtung der eigenen Politik ist in dieser Radikalität aber offenbar immer noch die Spezialität der FDP, ein Trend, den schon Jürgen W. Möllemann bis zur letzten Konsequenz, der Selbstvernichtung nicht mehr absatzfähiger Waren, getrieben hatte.
Der Glaube an die seligmachenden Kräfte des Marktes scheint zwar vordergründig erschüttert. Der peinliche Widerspruch zwischen Rekordrenditen und Arbeitsplatzvernichtung, insbesondere aber die Auswirkungen der globalen Krise haben klar enthüllt, dass das scheinbar vernünftige System der Geld- und Warenwelt in Wirklichkeit zutiefst irrational und krisenanfällig ist. Dennoch scheint die Anziehungskraft der Marktreligion auf die verängstigten Mittelklassen, das den Absturz fürchtende Bürgertum und die ihrer Aufstiegshoffnungen beraubten kleinen Angestellten umso größer zu sein. Und eben diese Elemente scharten sich im Wahl- und Krisenjahr 2009 um die FDP und ihre aggressiv vorgetragene Botschaft des Marktradikalismus und des Sozialdarwinismus.
Aber auch wenn sattsam bekannt ist, dass mindestens CDU/CSU und FDP auf Gedeih und Verderb einer zerstörerischen Ideologie anhängen, war es doch noch beruhigend anzunehmen, dass sie dies aus eigenem Antrieb und echter bornierter Überzeugung täten – einer Überzeugung, die immerhin von Zeit zu Zeit abgewogen werden muss mit opportunistischen Erwägungen wie dem Ziel, wiedergewählt zu werden. Deshalb konnte man wenigstens halbwegs sicher sein, dass bei der Vorstellung von Vorschlägen wie jenen, das Arbeitslosengeld II um ein Drittel zu kürzen, die allgemeine Zwangsarbeit einzuführen oder den Kündigungsschutz abzuschaffen, auch erklärtermaßen dem bürgerlichen Spektrum angehörende Mandatsträger bedenklich mit dem Kopf wackeln würden.
Die Wirklichkeit aber sieht anders aus. Jedes Mal, wenn man gerade wieder anfängt zu glauben, dass bis auf wenige Ausnahmen die politischen Abhängigkeiten im politischen System der BRD eben nicht so funktionierten, dass Koffer mit Schwarzgeld über die Grenze getragen oder Gesetzesvorlagen mal eben mit Millionenspenden erkauft würden, wird man eines Besseren belehrt. Nun ist Lobbyismus wirklich nichts Neues, und man könnte durchaus argumentieren, dass, wer jetzt wieder aus allen Wolken fällt, die Funk­tionsweise dieses Systems nicht kapiert habe. Die Plumpheit, mit der die potentiell kritische Öffentlichkeit für dumm verkauft wird, grenzt jedoch an eine Beleidigung. »Wir machen Politik nicht abhängig von Spenden«, sagte der Sprecher der FDP, Wulf Oehme. Ach so, na dann.

In der radikalen Linken gehörte es in den vergangenen Jahren zum guten Ton, selbst die ­offensichtlichsten Unverschämtheiten der Charaktermasken in Kabinett und Kapital abgeklärt als normale Begleiterscheinungen des Alltags im Kapitalismus abzutun. Man kaprizierte sich da­rauf, all jene als Populisten, Naivlinge oder gar als Propagandisten einer verkürzten personalisierenden Kapitalismuskritik zu bezeichnen, die sich über Bonuszahlungen an Manager, aus schwarzen Kassen finanzierte gelbe »Gewerkschaften« und erkaufte Steuersenkungen empörten.
Was aber vor zehn Jahren noch als kalkulierter Tabubruch gegenüber einer gutmenschenhaft gedankenlosen und jeder gründlicheren Kapitalismuskritik abholden NGO- und Bewegungslinken durchgehen konnte, ist mittlerweile zur leeren Geste geworden, die kein nennenswertes Kritikpotenzial mehr beinhaltet. Wer sich über eine derart dreiste und korrupte Klientelpolitik nicht mehr empören kann, hat offensichtlich jeden gesamtgesellschaftlichen Blick verloren.