Die Debatte über ein Verbot der Burka in Frankreich

Erst empfehlen, dann verbieten

Muslimische Frauen, die eine Burka tragen, sollen in Frankreich keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen haben. Es ist zunächst eine Empfehlung, die aber als Grundlage für einen Gesetzesentwurf dienen könnte. Nicht nur in Frankreich wird derzeit über ein Verbot der Burka diskutiert.

Monatelang hat in Frankreich die Debatte über ein Verbot der Burka die Parteien erhitzt.
Nun hat die parlamentarische Untersuchungskommission ihren Bericht veröffentlicht. Mit den im Bericht enthaltenen Empfehlungen soll sich nun das Parlament befassen, anschließend soll ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden. Die Kommission schlägt vor, die integrale Verschleierung mit einer Burka solle dort verboten werden, wo öffentliche Dienstleistungen erbracht werden, also in Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Ämtern. Die aus allen im Parlament vertretenen Parteien zusammengesetzte Kommission unter der Leitung des Parteikommunisten André Gerin und des Abgeordneten Eric Raoult von der konservativen Regierungspartei UMP rät allerdings von einem generellen Verbot an jedem öffentlichen Ort ab.

Bis zum Schluss gingen die Meinungen zum Thema auch unter Kommissionsmitgliedern derselben Parteien auseinander. Der Bericht sei »in einer Atmosphäre großer Spannung« vorgestellt worden, berichtete Le Monde aus der französischen Nationalversammlung.
Die Abgeordneten der Sozialistischen Partei boykottierten die Sitzung. Jean-Marc Ayrault, Fraktionsvorsitzender der Sozialisten in der Nationalversammlung, ließ den Kommissionsmitgliedern sowie den Regierungsvertretern ausrichten, er und seine Kollegen würden nur unter einer Bedingung teilnehmen: Die Debatte über die »nationale Identität«, die in den vergangenen zwei Monaten in Frankreich für heftige Polemiken sorgte, solle sofort abgebrochen werden. Die ideologische Indentitätsdebatte habe in jüngster Zeit auch die Diskussion über die Haltung gegenüber der Ganzkörperverschleierung »vergiftet«, argumentierte Ayrault. In der Tat hat sich die Debatte über die Burka und deren Verbot im Rahmen der Diskussion über die französische »nationale Identität«, über Einwanderung, und die »Werte des Islam« zugespitzt. Dabei gibt es keine klaren politischen Fronten. So ist der Kommunist Gerin, Bürgermeister der Lyoner Vorstadt Vénissieux, der den Ganzkörperschleier als »ambulantes Gefängnis« bezeichnete, ein vehementer Verfechter eines generellen Verbots der Burka, das seine Partei jedoch strikt ablehnt. Auch der Fraktionschef der UMP Jean-François Copé wurde von der eigenen Partei wegen seiner Positionen kritisiert. Er hatte vorgeschlagen, das Tragen einer Burka mit einer Geldbuße von 750 Euro zu bestrafen.
Argumentieren linke Befürworter eines Verbots mit der patriarchalen Bedeutung dieses Kleidungsstücks, so sehen die Rechten in der Burka ein »fremdes« Symbol, für dessen Ablehnung sich auch in der konservativen Mitte ein Konsens finden lässt, und eine Bedrohung für die »Werte der Republik«.

Dass es in dieser Debatte nicht darum geht, einer die gesamte Nation bedrohenden Gefahr vorzubeugen, belegen zunächst die Zahlen. Denn in Frankreich stellt der Ganzkörperschleier ein äußerst randständiges gesellschaftliches Phänomen dar. Über die Anzahl der Frauen, die eine integrale Verschleierung tragen, herrscht allerdings Unklarheit. Im vergangenen Sommer sprach die Polizei von knapp 400 Burka-Trägerinnen, das Innenministerium hat inzwischen neue Zahlen vorgelegt, wonach es in ganz Frankreich rund 2 000 Trägerinnen einer Vollverschleierung gäbe.
Für viele Frauen, die von ihren Ehemännern oder Familien dazu gezwungen werden, ihre Gesichter hinter einer Burka zu verbergen, hätte ein gesetzliches Verbot verheerende Folgen. Sie würden unter Umständen ihre Wohnungen nicht mehr verlassen können und wären dann erst recht isoliert.
Vor dem Hintergrund einer Republik, die theoretisch die Gleichheit unabhängig von Herkunft und privatem Glauben verspricht, doch alltägliche Diskriminierungspraktiken bestehen lässt, dient ein Symbol wie die Burka bei manchen Frauen zur Demonstration sichtbarer Ablehnung der mit dem Gleichheitsversprechen einhergehenden Assimilationsforderung. Problematisch und widersprüchlich an dieser Form von Ablehnung ist, dass sie durch ein Symbol getragen wird, welches das Gegenteil von Emanzipation darstellt. Die Botschaft lautet dann: »Wir sind nicht so wie Ihr, und den Wunsch, uns an Euer Bild oder Selbstbild anzupassen, lehnen wir ab.« Diese Botschaft wird von den rechten Parteien als Herausforderung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft interpretiert und als solche bekämpft.

Einige Mitglieder der Kommission wollten die Ganzkörperverschleierung für Frauen aus dem öffentlichen Raum verbannen, also auch auf der Straße verbieten. Dafür fand sich aber keine Mehrheit. Es waren auch konservative Politiker und Juristen, die vor einem generellen Verbot warnten. Dieses könne von den obersten Gerichten oder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als unzulässige Diskriminierung kassiert werden. Durchgehen könne allenfalls ein punktuelles Verbot, das der Staat mit dem Anspruch auf Identifizierbarkeit der Personen etwa auf Sozialämtern, Behörden oder in öffentlichen Verkehrsmitteln begründen könne. Dementsprechend wurden auch die Empfehlungen im Abschlussbericht der Burka-Kommission formuliert: Wer das Gesicht komplett verhüllt, soll in Frankreich nicht mehr Bus oder Bahn fahren dürfen. Auch der Zutritt zu Schulen, Krankenhäusern und Behörden wäre muslimischen Frauen in Ganzkörperschleiern untersagt.
Nicht nur in Frankreich wird derzeit über das Verbot der Burka debattiert. Auch in anderen europäischen Ländern finden hitzige Debatten über das Thema statt. In keinem davon bestehen bisher explizite Verbote, den Ganzkörperschleier oder ein ähnlich verhüllendes Kleidungsstück zu tragen.
In Dänemark wird derzeit über konkrete Verbotsmaßnahmen diskutiert. Hier ist das Phänomen der Vollverschleierung noch weitaus marginaler als in Frankreich, bei einer Zählung des Innenministeriums wurden drei Fälle im gesamten Land gefunden. Auch in Dänemark spielen in der Debatte emanzipatorische Argumente gegen die Burka als Unterdrückungssymbol sowie rechtspopulistische und fremdenfeindliche Ressentiments eine Rolle.

In Italien hat die rechtspopulistische Lega Nord die französische Verbotsdebatte begeistert begrüßt. Eine von der Lega Nord regierte Stadt, Varallo Sesia in der Region Piemont, will die Burka verbieten. Vorbeugend, denn bis heute wurde dort keine einzige Frau mit Burka gesichtet. Auf nationaler Ebene hat nicht nur die Lega Nord, sondern inzwischen auch die Ministerin für Gleichstellung Mara Cafagna eine Gesetzesvorlage zum Thema angekündigt.
In Österreich hat die sozialistische Frauenministerin Gabriele Heinisch-Kosek im Dezember einen Vorstoß für ein Verbot der Burka unternommen. Die Ministerin begründete ihre Initiative mit dem Kampf gegen die Unterdrückung Frauen.
Unterstützung fand sie jedoch auch bei den Bischöfen – die mehrheitlich für ein solches Verbot eintreten, jedoch eher, um das christliche Abendland vor dem Einfluss fremder Religionen zu schützen.
Auch die rechtsextreme FPÖ begrüßte die Initiative, wobei es auch kritische Meinungen in der Partei gab. Der Tourismussprecher der Partei Roman Haider bezeichnete die Verbotsdiskussion als »absurd«. Ein Verbot der Burka wäre schädlich für den Tourismus und würde die reichen Gäste aus dem arabischen Raum davon abhalten, nach Österreich zu reisen.