Wahlkampf der britischen Rechtsextremen in Ost-London

Battle of Barking

Im Londoner Osten will die rechtsextreme British National Party ihr erstes Unterhausmandat gewinnen. In Barking und Dagenham kämpft sie mit der Labour Party um die Stimmen der ärmeren Bevölkerungsschichten.

Noch sind es voraussichtlich drei Monate bis zur britischen Unterhauswahl, doch in Barking hat der Wahlkampf längst begonnen. Schon vor Weihnachten grüßte Nick Griffin, der Vorsitzende der rechtsextremen British National Party (BNP), von den Plakatwänden mit einem Glas Rotwein in der Hand und wünschte »Merry Christmas«. Zur Entscheidung steht hier mit der Unterhauswahl eine Art Fraktionskampf innerhalb der britischen Arbeiterbewegung an. Oder, um genauer zu sein: zwischen dem, was von ihr übriggeblieben ist.
Auf der einen Seite kandidiert Margaret Hodge, die derzeit Staatsministerin für Kultur und Tourismus ist und schon immer eine vehemente Unterstützerin von New Labour und von Tony Blair war. Bekannt ist sie vor allem, weil ihr 2004 von der Organisation Privacy International der Big Brother Award in der Kategorie »schlimmster Staatsbediensteter« verliehen wurde, nachdem sie sich für die Einführung des Datensammlungsprogramms Children Bill eingesetzt hatte. Entlassenen Facharbeitern von MG Rover legte sie 2005 in ihrer Zeit als Staatsministerin für Arbeit nahe, bei der Supermarktkette Tesco eine neue Stelle zu suchen.

Auf der anderen Seite steht der Holocaust-Leugner und Islam-Hasser Nick Griffin, der seit Juni Mitglied des Europäischen Parlaments ist. Griffin hat es mittlerweile geschafft, die BNP von ihrem rechten Skinhead-Image zu befreien und ihr eine breitere politische Akzeptanz zu verschaffen. Neben den üblichen rechtsextremen Themen bestimmen heute soziale Fragen die Agenda der BNP, die in den Migranten die angeblichen Hauptschuldigen für die britische Misere sieht. Griffins Erfolg liegt darin, dass nun die BNP in Großbritannien als Vertreterin großer Teile der weißen Arbeiterklasse wahrgenommen wird.
Ein Erfolg der BNP in Barking, einem der beiden Unterhauswahlkreise des Londoner Bezirks Barking and Dagenham, ist unter diesen Bedingungen nicht ausgeschlossen. Bei den Wahlen im Jahr 2005 gewann Hodge das Mandat mit 47 Prozent der Stimmen, der damalige Kandidat der BNP lief mit 17 Prozent auf dem dritten Platz knapp hinter den Tories ein. Diesmal haben sich allerdings nicht nur die Wahlkreisgrenzen leicht zugunsten der Rechtsextremen verschoben. Labour ist in den nationalen Umfragen weit zurückgefallen, die BNP ist in Barking hingegen zur festen Größe geworden. Bei den Wahlen zum Bezirksparlament von Barking and Dagenham im Jahr 2006 holte die BNP abermals 17 Prozent und 12 Sitze. Das war damals ihr landesweit bestes Ergebnis in der Parteigeschichte. Der zweite Unterhauswahlkreis des Bezirks, Dagenham, gilt diesmal noch als einigermaßen sichere Hochburg der Labour-Partei.

Barking and Dagenham waren lange so etwas wie die Prunkstücke der englischen Industrie. 1931 errichtete Ford dort das damals größte Autowerk in Europa. Gleichzeitig bebaute die britische Regierung in einem groß angelegten Programm die Umgebung mit Reihenhäusern für die Arbeiter. Im Vergleich zum damals heruntergekommenen East End, aus dem viele nach Barking and Dagenham zogen, bedeutete dies eine beachtliche Verbesserung der Wohnqualität.
Der Aufstieg der BNP begann hier kurz nachdem Ford die Autoproduktion im Jahr 2002 eingestellt hatte. Das Werk wurde zum bloßen Zulieferer von Motoren, mehrere tausend Beschäftigte wurden entlassen. Während ehemalige Arbeiter fortzogen, suchten immer mehr Migranten eine Wohnung in Barking and Dagenham.
Den Erfolg bei den Kommunalwahlen 2006 verdankte die BNP nicht zuletzt einer Kampagne, mit der sie in einem der »weißesten« Bezirke Londons die Ängste vor dem Zuzug von Migranten gezielt anheizte. Zum Beispiel durch die Behauptung, Migranten, die nach Barking and Dagenham zögen, würden mit 50 000 Pfund beim Kauf eines Hauses vom Bezirk unterstützt.
Die Wahrheit ist allerdings wesentlich profaner. Die Gentrifizierung in London treibt die Immobilienpreise im benachbarten East End nach oben, sodass die Miete oder den Kauf einer Wohnung für viele der dort lebenden Migranten unerschwinglich wird und immer mehr Menschen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten nach Barking and Dagenham ausweichen, wo die Wohnungen billiger sind.
Labour hat diese Entwicklung durch die Vergabe der Olympischen Spiele 2012 ins East End erheblich befördert. Weil der britische Mietmarkt nahezu unreguliert ist, sind ärmere Bürger und Familien auf Sozialwohnungen angewiesen, für die es lange Wartelisten gibt. Die Vergabe der Wohnungen erfolgt nach einem Punktesystem, das große Familien bevorzugt, die in kleinen Wohnungen wohnen. Diese Voraussetzung erfüllen eher Migrantenfamilien als alteingesessene weiße Briten.
In Großbritannien wird Griffins Antritt auch als »Battle of Barking« bezeichnet, in Anspielung auf die Luftschlacht um England gegen Nazi-Deutschland (»Battle of Britain«). Viele befürchten, ein Sieg Griffins könnte der Auftakt zu einem Einbruch der BNP ins Dreiparteiensystem sein. Derzeit hindert wohl nur das Mehrheitswahlrecht die BNP an einem größeren Erfolg. Bei den Europa-Wahlen erhielt sie landesweit 6,2 Prozent, bei den Wahlen zum Londoner Stadtrat 5,3 Prozent.

»Hope not hate«, der politische Arm des antifaschistischen Magazins Searchlight, hat Barking zum Schwerpunkt einer politischen Kampagne gemacht. Das Ziel sei dabei nicht, »Griffin um den Block zu jagen«, wie es Organisator Nick Lowles formuliert. Stattdessen wolle man in ausgewählten Bezirken Wähler gezielt ansprechen und damit Hodge zur Wiederwahl verhelfen.
Margaret Hodge kündigte unterdessen an, »Griffin aus Barking hinauszuwerfen«, sie greift aber gleichzeitig dessen Themen auf, um die rechte Wählerschaft anzusprechen. Das ist für sie nicht neu. In einem Beitrag für den Observer erklärte sie bereits 2007, bei der Zuteilung von Sozialwohnungen sei in Zukunft zu berücksichtigen, wie lange die Bewerber in Großbritannien leben.
Dabei könnte ihre Wiederwahl davon abhängen, wie viele Migranten inzwischen nach Barking gezogen sind. Hodge ist als Staatsministerin für Tourismus auch für Olympia 2012 mitverantwortlich. Ihre Partei hat erfolgreich an der Gentrifizierung des East End gearbeitet und viele Migranten, die Labour nahe stehen, nach Barking and Dagenham vertrieben. Diese Menschen könnten Hodge die entscheidenden Stimmen gegen die BNP sichern.