Die Junge Freiheit will sich als rechtes Leitmedium profilieren

Was lesen Abiturnazis?

Im Streit um die Deutungshoheit innerhalb der deutschen Rechten sieht die Junge Freiheit ihre Chance, sich als Leitmedium auszugeben. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht.

Mit der jüngst vom Bundesvorstand der CDU beschlossenen »Berliner Erklärung« zur Politik der Partei bis 2013 festigen die Christdemokraten ihr Image als »Volkspartei der Mitte«, die sich gern »modern« geben möchte. Die Reaktion rechter Tugendwächter auf diese strategische Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. »Merkels Marsch in die linke Mitte wird zur Belastungsprobe für die CDU«, kommentierte die Junge Freiheit umgehend. Mit »methodischer Grausamkeit« habe man unter Merkel das konservative Parteiprofil abgelegt, die Protagonisten des rechten Flügels kaltgestellt und sich so von der Stammklientel in der Provinz entfremdet. Die Partei bemühe nicht einmal mehr die »konservative Symbolpolitik«, mit der noch Helmut Kohl die Basis bei der Stange gehalten habe.

Tatsächlich hat die CDU im Unterschied zu den faschismusaffinen »Jungkonservativen« der Jungen Freiheit begriffen, was es heißt, eine hochmoderne exportabhängige Gesellschaft unter den Regeln des globalen Wettbewerbs am Markt zu halten. Eine allzu gravierende gesellschaftliche Spaltung will man sich zumindest programmatisch nicht leisten, Angela Merkel geht es um Harmonie. Daher behauptet die vom Parteivorstand angepriesene »moderne bürgerliche Politik«, sich Wählern zu öffnen, deren politische Neigungen bislang keinesfalls unter dem Verdacht des Konservatismus standen. Die Erkenntnis der Wahlforschung, dass sich traditionelle Milieus auflösen und Wechselwähler immer mehr zur entscheidenden Kraft werden, hat ihren Niederschlag in einer großen Integrationsgeste gefunden. Mit Entsetzen stellt die Junge Freiheit fest, dass sich die CDU mittlerweile mit der Berufstätigkeit von Frauen arrangiert hat und sogar gegenüber Migranten ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen scheint. Dass die christdemokratische Praxis der Familien-, Integrations- und Bildungspolitik oft genug eine ganz andere Sprache spricht, wird von der Rechtspostille geflissentlich ignoriert. Für die Berliner Redaktion ist die CDU inzwischen eine Linkspartei und die Bundesrepublik somit eine »DDR-light«. Entsprechend werden die Kopf- und Konzeptlosigkeit des rechten Parteiflügels zurückgeführt auf die »großen Merkelschen Säuberungen«.

Die Junge Freiheit sieht sich selbst als Anwältin einer konservativen deutschen »Leistungselite«. Die Programmatik des Wochenblattes läuft auf einen noch aggressiveren Abbau des Sozialstaates hinaus, als er in den vergangenen Jahren ohnehin schon betrieben wurde. Es bedarf nicht allzu viel bösen Willens, zwischen den Zeilen in der Jungen Freiheit den Wunsch auszumachen, das Wahlrecht nicht nur an die deutsche Abstammung, sondern auch an das Jahreseinkommen zu koppeln. »Nationalstolz«, »Autorität« und »Leistung« sind ihre weltanschaulichen Koordinaten. Ihre Helden sind daher »Tabubrecher« wie Thilo Sarrazin, Peter Sloterdijk oder der ehemalige Leiter des Elite-Internats Schloss Salem, Bernhard Bueb – ergänzt durch Theologen aus den Reihen der Piusbruderschaft oder der Evangelikalen. Das Vorgehen, sich zudem im burschenschaftlichen Milieu zu bewegen und um den rechten Flügel der Union ebenso zu buhlen wie um die Nationalliberalen in der FDP, ist daher nur konsequent. Ihr Traum ist eine starke Rechtspartei mit vorzeigbarer Führung, die nicht nur Personen aus den Unterschichten anzieht. Dafür versucht die Junge Freiheit zu erkunden, mit welchen Konzepten sich jene Lücke füllen ließe, die der angebliche Linksruck der CDU in ihren Augen geschaffen hat. Besondere Beachtung schenkt sie politischen Phänomenen wie Geert Wilders oder Pro Köln. Als Vorbild gilt auch die österreichische FPÖ, wo der Bogenschlag zwischen NS-Folklore, Nationalkonservatismus und Rechtspopulismus blendende Erfolge garantierte, bis sich Volkstribun Jörg Haider mit seinem »Bündnis Zukunft Österreich« selbständig machte. So darf sich in der Zeitung mittlerweile wieder Andreas Mölzer äußern, von dem man sich 2007 nach langjähriger Zusammenarbeit wegen dessen zu großer Anbiederung an die NPD getrennt hatte. Thema des FPÖ-Europa-Abgeordneten ist unter anderem die faktische Wiedervereinigung der FPÖ. Seit dem Tod ihres Patrons kehren die einst desertierten Anhänger Haiders in ihre ehemalige Partei zurück.
Das systematische Ausloten des politischen Feldes rechts der CDU bedeutet für die Junge Freiheit auch die Erkundung ihres Absatzmarktes. Dies ist dringend notwendig, denn den Media­da-ten der IVW zufolge ist der Gesamtverkauf der Zeitung im vergangenen Jahr kaum gestiegen und liegt knapp unter 18 000 Exemplaren. Die Zahl der Abonnements war im Vergleich zu 2008 sogar trotz einer fieberhaft betriebenen Kampagne leicht rückläufig. Das Berliner Blatt hat also ein vitales Interesse daran, sich als »Leitmedium« einer heimatlosen Rechten auszugeben.

Allerdings haben sich mittlerweile einige neue Zeitschriften etabliert, die mit der Jungen Freiheit um Leserschaft und Autoren konkurrieren. Durch Organe wie Sezession und Blaue Narzisse, die ebenfalls um Oswald Spengler lesende Jungkorporierte und andere Abiturnazis werben, wird die Substanz der Jungen Freiheit wohl noch nicht angegriffen. Von den Parteiblättern der DVU und NPD glaubt man sich entfernt genug, was aber nur bedingt zutrifft. Überschneidungen gibt es auch mit der Zielgruppe des ehemaligen Ostpreußenblatts, das gerade als Preußische Allgemeine Zeitung einen Relaunch versucht. Vor allem aber brachte im vergangenen Dezember der Verleger Dietmar Munier die erste Ausgabe des Monatsmagazins Zuerst auf den Markt. Die Zeitschrift wird in der Szene als Nachfolger des von Munier aufgekauften faschistischen Traditionsblatts Nation & Europa gehandelt, will aber weit in etablierte Kreise hineinwirken. Das Magazin Zuerst deckt die gleichen Themen ab wie die Junge Freiheit, gibt sich aber journalistisch krawallbereiter. Munier wirft der Berliner Konkurrenz Angepasstheit vor und macht auch keinen Hehl daraus, sie langfristig beerben zu wollen. Dabei ist eine erfolgreiche Sammlung »rechts der CDU« ebenfalls der ausdrückliche Wunsch des Geschäftsmanns. Ob aber all diese Beschwörungen tatsächlich ausreichen, um enttäuschte Rechte zum Verlassen der Institution CDU zu bewegen, bleibt fraglich.