Dresden war ein Erfolg für die Antifaschisten

»Dresden nazifrei« ist nun als Akteur etabliert

Zum ersten Mal wurde der größte und bedeutendste Naziaufmarsch Europas am 13. Februar in Dresden verhindert. Das ist ein Erfolg der Antifa. Die radikale Linke hat durch ihre Bündnispolitik außerdem gesellschaftliche Relevanz erlangt.

Die Ausgangsbedingungen waren denkbar schlecht. Die CDU-Regierungen in Dresden und Sachsen bilden die erzkonservative Phalanx der Extremismusdoktrin. Ein eigens eingebrachter Gesetzentwurf sollte das »stille Gedenken« an die »Bombenopfer vom 13. Februar« festschreiben. Die Altstadt sollte, so Bischof Jochen Bohl, »vor Extremisten und Geschichtsrevisionismus von links und rechts geschützt werden«. Die Bürgermeisterin Helma Orosz (CDU) plante eine Menschenkette um die Altstadt, um dies zu untermalen. Flankiert wurde die Kampagne durch Verlautbarungen des Inlandsgeheimdienstes, der vor einer »Invasion der Extremisten« warnte, und einer Hofberichterstattung der Regionalpresse. Dazu noch ein Ordnungsamt, das nach Gutsherrenart agierte und immer wieder Linke kriminalisierte und Nazis hofierte. Die linke Szene in Dresden war zerstritten und wenig selbstbewusst.
Diese Dresdner Verhältnisse haben über Jahre dazu beigetragen, den Aufmarsch am 13. Februar zum wichtigsten identitätsstiftenden Event der extremen Rechten zu machen. Gleichsam perlte an diesem formierten Block jede Kritik an der fatalen Dresdner Opferinszenierung ab. Wenig überraschend war es da, dass die Staatsanwaltschaft Dresden die Proteste durch Kriminalisierung zu behindern versuchte.

Das Antifa-Bündnis No pasarán initiierte im Anschluss an eine Aktionskonferenz im November die Gründung von »Nazifrei! Dresden stellt sich quer«. Aufgrund des Scheiterns der Gegenaktivitäten im vorigen Jahr kamen nun Antifas, linke Gruppen, die Partei »Die Linke« und zahlreiche Jugendorganisationen von Parteien und Gewerkschaften zusammen. Erklärtes Ziel war die Blockade des Naziaufmarsches, Basis war der Aktionskonsens: »Von uns wird keine Eskalation ausgehen. Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.«
Auf dieser Grundlage entwickelte sich eine solide Zusammenarbeit. Es entstand ein gemeinsames Gesamtkonzept aus Kundgebungen, Blockadepunkten, Anreise und Pressearbeit. So entwickelte sich ein Klima von selbstbestimmtem Aktionismus unter den BündnispartnerInnen. Denn eine Auseinandersetzung mit den Nazis in Dresden und anderswo kann nicht allein auf einer theoretischen Ebene vollzogen werden. Politik muss hier praktisch werden. Indem sich Menschen Nazis in den Weg stellen, ihnen das Aufmarschgebiet streitig machen. Die Strategie ging auf, der politische Preis einer gewaltsamen Räumung der Blockierenden wäre zu hoch geworden. Der Erfolg an dem Tag ist nicht nur den Blockaden zuzuschreiben, sondern auch den Gruppen von AntifaschistInnen, die die Polizeikräfte an anderen Orten gebunden haben. Sie trugen durch direkte Aktionen gegen Nazis ihren Teil zur Undurchführbarkeit des Aufmarsches und dem Schutz der Blockaden bei.

Der Satz »In Dresden ist es anders« ist passé. Tausende DresdnerInnen haben die Erfahrung einer gewonnenen Kraftprobe mit der Stadt gemacht. Die breite Mobilisierung, auch bedingt durch die Repression im Vorfeld, machte aus einer polizeilichen eine politische Auseinandersetzung. Den Nazis wurde an ihrem zentralen Tag und Ort eine Niederlage zugefügt. In Dresden hat rund um den 13. Februar eine Diskursverschiebung stattgefunden. Die Gretchenfrage war nicht mehr: »Wie gedenken wir der Bombenopfer?«, sondern: »Welche Mittel sind geeignet, um die Nazis zu stoppen?« Die Bürgermeisterin reklamierte die Verhinderung des Aufmarsches als Erfolg für ihre Menschenkette und geriet damit massiv in die Kritik. Auch in der konservativen Presse ist die Vorherrschaft der Parolen vom »stillen Gedenken statt lauten Protest« und der »Invasion der Extremisten« verlorengegangen. »Dresden nazifrei«! ist als Akteur etabliert und unterminiert praktisch Extremismusdoktrin und das stille Gedenkgebot der Stadt. Debatten um die Bedeutung und Funktion des Dresdner Opfermythos können so in einem breiteren Kreis geführt werden.
Zugegeben, wir haben weder den deutschen Opferdiskurs entsorgt noch das Kapitalverhältnis ins Wanken gebracht, aber eine Linke, die ihren Anspruch auf radikale Veränderung ernst nimmt, kommt nicht an der Frage vorbei, wie sie zu gesellschaftlicher Relevanz, Interventionsfähigkeit und politischen Erfolgen kommt. In Dresden wurde ein Schritt in diese Richtung gegangen.