Der rechtskonservative Verein SWG

Männer in feinen Anzügen

Rechtskonservative haben bei der CDU einen »Linkstrend« bemerkt. Am Samstag veranstaltete die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft eine Tagung, die das mit zum Thema machte.

Das schöne Wetter lockt die Gäste am Mittag nach draußen. Vor den Stufen der Provinzialloge in Hamburg, gleich bei der Universität, tauschen sich zwei Herren über die dort stattfindende Tagung aus. »Sehr gute Vorträge bisher«, meint ein älterer Mann in feinem Anzug. »Wie jedes Mal«, sagt ein etwas jüngerer Mann in nicht minder adretter Kleidung, »aber dieser Linksdrall nimmt kein Ende.« Hier bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) ist man schon lange der Meinung, die CDU sei weit nach links gerutscht. Dass eine ehemalige FDJ-Sekretärin die CDU und Deutschland führt, ist wohl kaum in ihrem Sinne.

Seit fast 50 Jahren bemüht sich die SWG im »vorpolitischen Raum« um die »staatsbürgerliche Bildungsarbeit« für Volk, Familie, Vaterland. Das »konservative« Milieu bei CDU und CSU zu stärken, ist das erklärte Ziel seit ihrer Gründung im Jahr 1962. Ihr Vorsitzender, der Rechtswissenschaftler Menno Aden, gehört auch zu den Erstunterzeichnern des »Manifests gegen den Linkstrend«. Mit diesem Manifest beschwerten sich im Februar Politiker der CDU und Publizisten da­rüber, dass sich die CDU von ihren Stammwählern verabschiede. Eine geistige Wende in der Partei sei geboten, statt Homo-Ehen und Antidiskriminierungsgesetze hinzunehmen, Multikulti-In­tegrationspolitik und Abtreibung voranzutreiben oder gar die Würdigung der deutschen Kriegsopfer und die Gefahr der Islamisierung weiter zu missachten. Am Samstag, bei der Tagung in der Provinzialloge, erhielt Menno Aden für die Unterzeichnung jedoch keinen Applaus vom Publikum. Das lag nicht daran, dass die rund 160 Gäste seine Ansichten nicht teilen würden. Der Vorsitzende der SWG war nur verhindert.
Stattdessen wurden die Gäste am Vormittag von Manfred Backerra begrüßt. Der Verein, der als gemeinnützig anerkannt ist, will an die 5 000 Förderer haben. Die SWG richtet regelmäßig Tages­seminare und Abendveranstaltungen aus, auch in Kiel, Braunschweig und Hannover. »Wie geht unsere Politik mit Deutschland um? Freiheitlich, demokratisch, rechtsstaatlich?« – das war das Thema der Tagung in Hamburg. An der Veranstaltung durfte nur mit einer Einladung teilgenommen werden. »Exklusivität« wird hier groß geschrieben. Die Referenten, so betont die SWG, seien stets »Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Militärwesen«. Eine militärische Karriere kann auch Backerra vorweisen. Der langjährige Regionalleiter der SWG an der Elbe war einst Generalstabsoffizier im militärischen Nachrichtenwesen und Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr. Den zackigen Kommandoton hat der Oberst a.D. nicht verlernt. Im Saal wies er laut und unmissverständlich Gäste zurecht, die sich nicht seinen Vorstellungen gemäß verhalten hatten.
Nach der Begrüßung eröffnete der emeritierte Politologe Konrad Löw unter großem Beifall das Seminar. Das Thema seines Vortrags »Die Würde des Menschen und der deutschen Nation« gehört zu seinen Dauerbrennern. Schnell ging er dazu über, die vermeintliche Vorherrschaft der Kollektivschuldthese zu beklagen. Im Jahr 2004 lösten seine Positionen bei der Bundeszentrale für politische Bildung einen Skandal aus. In einem Artikel für die Bundeszentrale hatte er ausgeführt: »Wir sollten jenen entgegentreten, die allgemein von deutscher Schuld sprechen, wenn damit gemeint ist, dass die große Mehrheit der damals lebenden Deutschen mitschuldig gewesen sei.« Zudem erklärte er, dass auch Juden in den »Judenräten« »als Häscher, als Polizisten, in den Gaskammern« an den »Endlösungsplänen« mitgewirkten hätten. Täter gleich Opfer, Opfer gleich Täter. Der Beitrag wurde schließlich zurückgezogen. In der extrem rechten Nationalzeitung bewertete Löw das Verhalten der Bundeszentrale als »neurotische Reaktion«, in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit befand er: »Das ist Zensur.« Den umstrittenen Text stellte die SWG auf ihre Website.

Vor dem Mittagessen, bei dem deftiger Eintopf serviert wurde, sprach Karl Albrecht Schachtschneider über »Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat gemäß dem Grundgesetz«. Der emeritierte Rechtswissenschaftler vertrat die Auffassung, dass in der Bundesrepublik Recht nicht immer Recht sei. Öffentliche Bekanntheit erreichte Schachtschneider als Autor der Verfassungsbeschwerde gegen die Ratifizierung des EU-Reformvertrags, die der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) im Jahr 2008 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte.
In den Mozartsälen der Loge kam auch der Vortag von Harald Seubert, Philosoph an der Universität Poznan, gut an. Während seines Referats zum Thema »Einstehen für Deutschland nach innen und außen« klagte er über die »Kulturrevolution« von links. Polemiken gegen die 68er bringen bei der SWG immer großen Zuspruch hervor. Dass Seubert, der kooptierter Beisitzer im Präsidium des rechtskonservativen Studienzentrums Weikersheim ist, auch bei der CDU einen Werteverlust ausmachte, harmonierte ebenfalls mit den Ansichten des Publikums. Schon Hugo Wellems, der bis zu seinem Tod im Jahr 1995 SWG-Vorsitzender war, beschwerte sich immer wieder über die »alliierte Umerziehung« und die »68er-Wertezersetzung«. Wellems, einst Pressereferent im NS-Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, hatte die SWG zusammen mit Arthur Missbauch, einem früheren Bundestagsabgeordneten der CSU, ins Leben gerufen.
Der früher an der Bundeswehruniversität in Hamburg lehrende Politologe Wolfgang Gessenharter, ein Rechtsextremismus-Experte, schätzt die SWG als ein »wichtiges Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus« ein.