Die Arbeitsbedingungen von Migranten in den EU-Ländern – Italien

Jede fünfte Pizza

In Italien musste die Regierung ihrem ex­trem restriktiven Ausländerrecht Sondergenehmigungen zur Seite stellen, um den Zusammenbruch der Sozialversorgung zu verhindern.

»Ich habe einen Arbeitsvertrag, solange ich den vorweisen kann, verlängern sie mir auch die Aufenthaltsgenehmigung.« Valentina putzt jeden Morgen eine Boutique in der römischen Innenstadt. Sie kommt aus der Ukraine, benutzt aber einen italienischen Vornamen. »Das ist hier so üblich, die Italiener wollen sich die fremden Namen nicht merken, ich weiß nicht, warum.« Die Hälfte aller in Italien lebenden Ausländer kommt aus Osteuropa, vornehmlich aus Rumänien und Albanien. Ein Viertel kommt aus Afrika, knapp 15 Prozent aus Asien. Das sind Angaben der italienischen Caritas, die jedes Jahr ein Dossier zum Thema Immigration herausgibt. Die staatlichen Erhebungen sind sehr lückenhaft. Das statistische Zentralamt Istat und die staatliche Sozialversicherungsanstalt INPS legen bei der Beurteilung, ob ein Migrant als »regulär« zu zählen ist, unterschiedliche Maßstäbe an, deshalb gibt es keine genaue Zahl der offiziell in Italien lebenden Ausländer. Der Mittelwert lag 2008 bei 4,3 Millionen, das entspricht sieben Prozent der Gesamtbevölkerung. Die rassistische Hetze der Rechten gilt der unbekannten Zahl der »Irregulären«.
Mit dem im vorigen Sommer beschlossenen »Sicherheitspaket« wurden die repressiven Bestimmungen des Immigrationsgesetzes Bossi-Fini von 2002 noch einmal verschärft. Die illegale Einreise wird seither strafrechtlich verfolgt und mit einer Geldbuße zwischen 5 000 und 10 000 Euro geahndet. Alle staatlichen Institutionen sind angehalten, mutmaßliche clandestini bei der Polizei anzuzeigen. Zugleich wird jährlich weniger als 10 000 Menschen ein Flüchtlingsstatus zugesprochen. Aufenthaltsgenehmigungen, die bereits bisher nur nach Vorlage eines Arbeitsvertrags ausgestellt wurden, gibt es nur noch nach Bezahlung einer Gebühr von 80 bis 200 Euro und unter Vorbehalt. Der Antragsteller muss innerhalb von zwei bis drei Jahren 30 sogenannte Integrationspunkte sammeln. Dazu gehören der Nachweis von ausreichenden Sprachkenntnissen, einer Krankenversicherung und eines Mietvertrags. Wer die Auflagen nicht erfüllt oder nach einer Entlassung nicht binnen sechs Monaten eine neue Arbeit findet, gilt als »irregulär« und kann abgeschoben werden. Dem Innenministerium zufolge sind derzeit 13 Abschiebelager »operativ«.
Kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes wurde deutlich, dass sich diese restriktiven Maßnahmen nicht durchführen lassen: Die Kinder-, Kranken- und Altenbetreuung ist in Italien fast vollständig privatisiert, 67 Prozent dieser Arbeit werden von Migranten geleistet. Um den Zusammenbruch der privaten Sozialversorgung zu verhindern, sah sich die Regierung gezwungen, Sondergenehmigungen auszugeben. »Viele Familien weigern sich trotzdem, ihre Haushaltshilfe anzumelden, weil sie dann Sozialabgaben zahlen müssen«, sagt Maria, die in Peru geboren wurde. Sie kümmert sich um ein körperbehindertes Kind in einer linksliberalen Familie. »Sie haben mich angemeldet, aber dafür, dass ich jeden Tag rund um die Uhr für Pietro da bin, zahlen sie mir nichts extra.«
Offiziell erwirtschaften die Ausländer in Italien zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Drittel von ihnen beklagt, nur im Niedriglohnsektor angestellt und grundsätzlich unter Tarif bezahlt zu werden. Obwohl einer Umfrage zufolge knapp 80 Prozent der Migranten gerne einen Tag streiken würden, kam es am 1. März nur zu symbolischen Protesten. In Norditalien, wo 60 Prozent der Immigranten leben, gab es immerhin mehrere große Demonstrationen. Dagegen versammelten sich in Rom am frühen Abend nur einige tausend Menschen im Esquilino, vornehmlich antirassistische Gruppen aus den centri sociali. Die vielen asiatischen Bewohner des Viertels kreuzten die Demonstration nur kurz auf ihrem Weg zur Arbeit: Jede fünfte traditionelle italienische Pizza wird jeden Abend von ihnen gebacken.