Antisemitismus im ungarischen Wahlkampf

Pfeilkreuz und Davidstern

Im ungarischen Wahlkampf setzen die nationalkonservative Partei Fidesz und die rechtsextreme Jobbik massiv Antisemitismus ein. Beide können bei den Wahlen im April mit Erfolg rechnen.

Am 11. April wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Alle Prognosen weisen auf einen Wahlsieg der oppositionellen nationalkonservativen Partei Fidesz unter der Führung von Viktor Orbán hin. Auch die rechtsextreme antisemitische Partei Jobbik hat gute Chancen, ins ungarische Parlament einzuziehen, mit acht bis zehn Prozent der Wählerstimmen, wie Umfragen prognostizieren. Beide rechten Parteien konkurrieren derzeit um die Gunst der völkischen Wähler.
Das sah im vergangenen Jahr noch anders aus. Nachdem Jobbik bei den Wahlen zum Europa-Parlament fast 15 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, gab es eine Annäherung zwischen den beiden Parteien. Schließlich ging es nach der Europa-Wahl darum, Jobbik als politische Kraft in einer völkischen europäischen Front zu legitimieren.
Der Journalist Zsolt Bayer, der der Fidesz nahe steht, übernahm die Rolle, zwischen den beiden Parteien rechte Verbindungen herzustellen, und veröffentlichte einen kruden antisemitischen Artikel in der rechtskonservativen Tageszeitung Magyar Hirlap (Jungle World 30/09). Bayer, dessen Stil sich durch vulgäres Schimpfen auszeichnet, hatte seine Karriere als linksliberaler Journalist begonnen und wanderte von Zeitung zu Zeitung, bis er beim antisemitischen Blatt Magyar Hirlap landete. Jobbik fühlte sich dadurch in seiner antisemitischen Propaganda legitimiert. Gleichzeitig wuchs in der Partei das Selbstbewusstsein und das Gefühl, nicht mehr Juniorpartner der Fidesz zu sein.

Mit aggressivem Antisemitismus kann man in Ungarn Wähler mobilisieren, das haben die Fidesz und Jobbik gut verstanden. Nun befürchtet die Fidesz aber, einen Teil ihrer Wähler an Jobbik zu verlieren. Politiker und Journalisten, die der Fidesz nahe stehen, wenden sich immer mehr gegen Jobbik, die als Jugendbewegung der Fidesz begann. In dieser Auseinandersetzung gab Zsolt Bayer zu, dass Fidesz die Karrieren vom Anführer der Jobbik, Gábor Vona, und von Krisztina Morvai, der Vertreterin von Jobbik im Europa-Parlament, tatkräftig förderte. Krisztina Morvai wurde auch daran erinnert, dass ihr die Fidesz und insbesondere der Vorsitzende der Menschenrechtskommission im ungarischen Parlament, Pfarrer Zoltán Balog, dabei halfen, eine Organisation zur Verteidigung von »patriotischen« Gewalttätern zu gründen. Morvai ist Lehrbeauftragte an der Rechtsfakultät der Universität Budapest, und ihr Wahlspruch lautet: »Ungarn darf nicht Palästina werden.« Sie zeigt sich gerne mit Palästinensertuch und stellt immer wieder die Menschen »unserer Rasse« den Menschen »ihrer Rasse« gegenüber. Auch scheute sie sich nicht, einem Juden, der sie kritisierte, zu antworten: »Ich würde es begrüßen, wenn diejenigen, die sich als ›stolze ungarische Juden‹ bezeichnen, in ihrer Freizeit mit ihren beschnittenen Schwänzchen herumspielen würden, statt mich zu verunglimpfen.«
Nachdem Israels Präsident Shimon Peres bei einer Rede vor der Handelskammer in Tel Aviv eine launige Bemerkung über Investitionen in Ungarn machte, wirbt nun Jobbik mit Plakaten, auf denen die Pfeilkreuzlerfahne, ein Davidstern und der Kopf von Peres zu sehen sind. Der Text dazu lautet: »Du wirst nicht unsere Heimat besetzen«.

In Ungarn wurde im Februar die Leugnung des Holocaust unter Strafe gestellt. Fidesz enthielt sich bei der Abstimmung. Jobbik lehnte das Gesetz ab mit dem neonazistischen Argument, dass ein historisches Ereignis nicht »zum Dogma erhoben werden kann«.
Aber auch die Fidesz glaubt, keinen Wahlkampf ohne massiven Antisemitismus führen zu können, und so durfte Ferenc Szaniszló im Echo TV, dessen Eigentümer auch der Besitzer von Magyar Hirlap ist, der Millionär Gábor Széles, fordern, »die Diebe, die ihre Macht und ihre Abstammung missbrauchen, auf die Anklagebank zu setzen«. Die paranoide Zwangsvorstellung, Israel wolle Ungarn erobern, sowie der Schutz der Mehrheit vor der gierigen »antimagyarischen« Minderheit sind Bestandteile einer antisemitischen Agitation, die in Ungarn auch von Jobbik hinter »christlicher« Maske betrieben wird. Gegen diesen Missbrauch wehren sich die historischen Kirchen nicht.