Deutsche Banken wollen riskante Kreditgeschäfte wiederbeleben

Bestes vom Banker

Die Banken in Deutschland arbeiten an der Wiederbelebung riskanter Kreditgeschäfte. Mit selbst fabrizierten »Qualitätssiegeln« sollen aufgeschreckte Investoren wieder beruhigt werden.
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Mit einem lauten Knall platzten 2007 in den Vereinigten Staaten die Anhäufungen verbriefter Kreditrisiken. Seitdem haben auch die deutschen Banken ihre Schwierigkeiten. Das Vertrauen der Investoren in die einst hoch gelobten Finanzinstrumente scheint fürs erste geschwunden zu sein. Der Verbriefungsmarkt sei in den vergangenen zwei Jahren nahezu zum Erliegen gekommen, räumte der Bundesverband Deutscher Banken (BDB) in einer Presseerklärung vom 1. März ein. Allerdings, so Markus Melcher-Becking, Geschäftsführer für Wettbewerbs- und Mittelstandspolitik des BDB, sei »der Vertrauensverlust bei deutschen Verbriefungen, insbesondere auch bei Mittelstandskrediten, nicht gerechtfertigt«. Denn immerhin seien diese auch »in der Krise deutlich unter den erwarteten Verlusten geblieben«.

Worum es dem BDB geht, sind die forderungsbesicherten Wertpapiere, die sogenannten Asset Backed Securities (ABS). Dabei handelt es sich um Finanzinstrumente, mit denen eine Bank Kredite an Anleger weiterverkaufen kann. Für die Bank bietet diese Form der Kreditweitergabe große Vorteile. Denn Banken sind gezwungen, ihre vergebenen Kredite mit einem Eigenkapitalanteil von acht Prozent zu unterlegen. Dieser Anteil muss als Risikoabsicherung bei der Bank verbleiben und kann nicht weiter verliehen werden, Geld also, das ungenutzt herumliegt und keine Rendite erwirtschaftet. Mit den ABS lässt sich dieses Problem trickreich umgehen. Indem die Bank verschiedene Kredite zu einer Verbriefung bündelt und dieses Derivat weiterverkauft, verschwinden die Kreditrisiken aus der Bilanz und die Bank kann zusätzliche Kredite vergeben. Bei einer ABS im Umfang von 100 Milliarden Euro werden zum Beispiel zusätzliche liquide Mittel in Höhe von acht Milliarden Euro frei.
An einer erneuten Ausweitung der riskanten Kreditvergabepraxis sind die Banken höchst interessiert. »Die Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes ist eine Voraussetzung, um die Kreditklemme zu verhindern«, sagt BDB-Präsident An­dreas Schmitz und liefert das passende Argument gleich mit, um die noch immer aufgeschreckte Öffentlichkeit zu beruhigen: Die häufig bemühte »Kreditklemme« müsse »verhindert« werden, damit die deutschen Unternehmen wieder in die verloren gegangene Gewinnzone gebracht werden können. Das Problem bei der Anwendung des beschworenen Finanzinstruments sind die Investoren. Aufgrund der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren lassen Versicherungen und Investmentfonds derzeit neue verbriefte Kredite links liegen und versuchen, in anderen Bereichen ihre Renditen zu erwirtschaften.

Der BDB hat sich nun entschieden, eine Qualitätsprüfung für Verbriefungen einzuführen. »Wir wollen damit den Markt für Verbriefungen wieder beleben, der durch die Finanzkrise das Vertrauen der Investoren weitgehend verloren hat«, so Melcher-Becking. Am 1. März wurden die neuen Standards zur Verbriefung von Krediten an die True Sale International GmbH (TSI) übermittelt. Dieses Unternehmen wurde im Jahr 2004 von 13 Banken gegründet, um dem Markt für Verbriefungen mit deutschen Mittelstandskrediten eine Infrastruktur und Verkaufsplattform zur Verfügung zu stellen. Die Liste der Gründer der TSI liest sich wie eine Zusammenstellung der am stärksten von der Finanzkrise betroffenen Institute. Darunter befinden sich die Landesbanken Bayern LB, HSH Nordbank und West LB. Ebenfalls dabei sind die in Schwierigkeiten geratenen privaten Institute Commerzbank und Citigroup.
Hartmut Bechtold, Geschäftsführer der TSI, sagte der Jungle World, dass in den sechs bis sieben Jahren vor der Krise allein in Deutschland etwa 130 bis 140 Milliarden Euro verbrieft worden seien. Pro Jahr seien es etwa 30 bis 40 Milliarden gewesen. Im vergangenen Jahr seien die Zahlen jedoch auf etwa vier bis fünf Milliarden Euro zurückgegangen – ein deutlicher Umsatzeinbruch und schmerzlicher Verlust für die Banken. Vor diesem Hintergrund hat des BDB jene Qualitätsstandards für ABS-Verbriefungen entwickelt, die von der TSI überprüft und anschließend durch ein entsprechendes »Qualitätssiegel« garantiert werden sollen.

Begleitet wird das Vorhaben der BDB von einer Studie der bekannten Unternehmensberatung Bearing Point, die auf 32 Seiten über die »Zukunft der Verbriefung in Europa« Auskunft gibt. Darin wird deutlich, worum es der TSI und den beteiligten Banken geht: »Ein Großteil der zuletzt begebenen ABS wurden überhaupt nicht mehr am Kapitalmarkt platziert, sondern ausschließlich strukturiert, um sie als Einlagensicherheit für die verschiedenen Liquiditätsprogramme der Notenbanken zu verwenden.« Und weiter schreiben die Autoren Stefan Schütt, Hendrik Kollmann und Marc von Scheliha: »Um die Liquidität im Markt nicht noch weiter zu erhöhen, ziehen sich die Notenbanken schrittweise aus diesen Liquiditätshilfen wieder zurück.« Echte Investoren jedoch, wie Versicherungen, Pensionskassen und Rentenfonds, blieben dem Markt immer noch fern.
Das »Qualitätssiegel« soll diese privaten Investoren nun ermuntern, erneut in den Markt mit ABS-Verbriefungen einzusteigen. Bechtold erklärte die Vergabe des »Qualitätssiegels« durch die Banken mit knappen und deutlichen Worten: »Es geht um die Risikoweitergabe an Dritte.« Das das »Qualitätssiegel« dient zur Beruhigung der Kleinanleger, die – gezwungen durch die Privatisierung der Altersabsicherung – mehr und mehr ihr erspartes Geld in den Kapitalmarkt pumpen sollen. Dass das »Qualitätssiegel« für ABS von denselben Instituten vergeben wird, die die ABS ­herausgeben, ist weder beruhigend noch qualitätssichernd. Hier sollen dieselben zwielichtigen Finanzinstrumente wiederbelebt werden, die bereits vor drei Jahren mit zum Absturz der Weltwirtschaft beitrugen.