Subventionskürzungen in der Solarbranche

Konzentriert euch!

Mit ihrer Entscheidung, die Subventionen für die Solarbranche drastisch zu kürzen, hat die Bundesregierung eine Grundsatzdebatte angestoßen, die die unterschiedlichen ideologischen Standpunkte der Koalitionspartner offenlegt.

Eigentlich scheint der Trend zu erneuerbaren Energien kaum aufzuhalten. Schon jetzt sind in dieser Branche in Deutschland rund 280 000 Menschen beschäftigt, und Studien gehen davon aus, dass hier noch rund eine halbe Million Arbeitsplätze entstehen könnten, während in der klassischen Energiewirtschaft bis 2020 bis zu 50 000 weitere Stellen verloren gehen sollen. Voraussetzung für das anhaltende Wachstum des Wirtschaftszweigs der regenerativen Energien ist jedoch, dass Investitionen in Erdwärme, Wind- und Wasserkraft, Sonnen- und Bioenergie nicht durch politische Maßnahmen verhindert werden. Aber genau solche scheint die Bundesregierung vorzuhaben.
Anfang März hatte die Bundesregierung beschlossen, dass ab dem 1. Juli die Subventionen von Solaranlagen auf Dächern um 16 Prozent und auf Freiflächen um 15 Prozent gekürzt werden sollen, die Förderung für Anlagen auf Ackerflächen soll ganz gestrichen werden. Die Solarindustrie, die von den 280 000 Arbeitsplätzen im Sektor erneuerbare Energien immerhin 60 000 stellt, hat Protest angekündigt. Ebenso die von CSU/CDU regierten Bundesländer Bayern und Thüringen, die fürchten, dass die Beschlüsse der Bundesregierung ihren regionalen Wirtschafts­interessen zuwiderlaufen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer konnte immerhin durchsetzen, dass die beschlossenen Kürzungen erst zum 1. Oktober in Kraft treten.
Dabei hatte gerade die CSU in der Vergangenheit gefordert, den Bau von Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen einzudämmen, um keine der angeblich in Deutschland so dringend benötigten landwirtschaftlichen Nutzflächen zu blockieren. Doch nachdem die Landesregierung festgestellt hat, dass neben einigen Regionen Ostdeutschlands vor allem das eigene Bundesland am stärksten von Arbeitsplatzverlusten betroffen wäre, entdeckt man dort jetzt plötzlich das »Solarland Bayern«. So hieß es dem Handelsblatt zufolge nun aus der bayerischen Staatskanzlei, die befürchtete »Zergliederung der Landschaft« durch Solaranlagen könne auch mit Mitteln der Bauaufsicht eingedämmt werden.

Im Gegensatz zur Streichung der Subventionen von Solaranlagen auf Ackerflächen fällt die Kürzung der Förderung von Solaranlagen auf Dächern wenig drastisch aus. Sie beziehen sich nur auf jenen Solarstrom, den die Anlagenbetreiber in die Energienetze einspeisen. Seit 1. Januar erhält man pro ins Netz eingespeiste Kilowattstunde 29,37 bis 39,14 Cent, je nachdem, wie groß die Anlage ist. Ab 1. Juli werden die Vergütungen auf 24,67 bis 32,88 Cent reduziert. Verbraucht der Solaranlagenbetreiber seinen Strom dagegen selbst, ist sein Gewinn deutlich größer, denn die Förderung des Eigenverbrauchs soll um acht Cent höher ausfallen. Das bedeutet: Wer ab dem 1. Januar eine Anlage in Betrieb nimmt, die mit 39,14 Cent gefördert wird, und 30 Prozent seines Stroms selbst verbraucht, bekommt derzeit 40,23 Cent Förderung. Wer nach dem 1. Juli das gleiche tut, bekommt 3,86 Cent weniger. Das entspricht einer Förderkürzung um lediglich 9,6 Prozent – und nicht um 16 Prozent, wie die Regierung angibt. Und diese leicht gekürzte Subventionssumme wird für die kommenden 20 Jahre garantiert. Wer sich also zum eigenen Verbrauch eine Solaranlage auf dem Dach installiert, hat kaum drastische Einbußen zu befürchten.
Für die Solarindustrie wirken die Subventionskürzungen dagegen bedrohlicher. »Ausmaß und Geschwindigkeit der Förderkürzungen bedrohen die Existenz großer Teile der deutschen Photovoltaik-Industrie« warnt der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Unterstützung erhält die Solar-Lobby dabei vom Grünen-Politiker und Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer, der Schutzklauseln gegen die chinesische Billigkonkurrenz fordert: »Wenn es so kommt, hat Deutschland mit Anlaufinvestitionen der Stromkunden von bis zu 45 Milliarden Euro die Solarindustrie aufgebaut, um im entscheidenden Moment des Take-Off die wirtschaftlichen Vorteile der Fertigung an die Chinesen zu verschenken.« Modulherstellung in Deutschland werde es dann schon in wenigen Jahren nicht mehr geben, fürchtet Palmer, da der Großteil der Arbeitsplätze nach Asien verlagert würde. Vor allem China profitiere dann vom deutschen Solarboom. »Während Deutschland mit den Geldern der Stromkunden die Hälfte des Weltmarkts für Photovoltaik schafft, werden nur fünf Prozent der Anlagen weltweit in China installiert.« Chinas Solarindustrie könnte also ohne das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht existieren, behauptet Palmer.
Palmer hat bereits eine Idee, wie die deutsche Solarindustrie vor der chinesischen Konkurrenz geschützt werden könnte. »Wir könnten die Importe aus China morgen auch auf Null bringen, wenn wir die Einspeisevergütung streichen.« Statt die deutschen Modulhersteller zu belasten, solle die Bundesregierung also die Subventionen für diejenigen streichen, die sich Solaranlagen aufs Dach stellen und Strom ins Netz einspeisen. Das schade offenbar vor allem den chinesischen Herstellern, die in Deutschland einen höheren Marktanteil haben als die einheimischen.

Angesichts der Pläne Palmers dürfte es kaum verwundern, dass die FDP den Gegnern der Subventionskürzungen Protektionismus vorwirft und sich für einen freien Markt ausspricht. Auch die SPD spricht sich gegen Schutzbestimmungen aus. Dabei beschreibt die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Zukunft der deutschen Solarindustrie wirklich düster: »Wir erwarten später dieses Jahr, oder spätestens in der ersten Jahreshälfte 2011, den Zusammenbruch zahlreicher kleiner Solarunternehmen, aber auch eines oder mehrerer Großunternehmen im Solarsektor.« Doch genau dies dürfte von der Bundesregierung und speziell der FDP, die sich besonders für die Kürzungen eingesetzt hat, bewusst einkalkuliert sein. Denn die einst aus politischen Erwägungen staatlich großzügig alimentierte Solarbranche soll nach den Vorstellungen der Wirtschaftsliberalen endlich den Gesetzen des freien Marktes unterworfen werden.
Und nach deren Maßstäben ist das Sterben kleinerer und nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger Unternehmen ja kein Unglück, sondern eher Teil eines ökonomischen Gesundungsprozesses. Dieser Logik zufolge wird vermutlich auch die Solarbranche erleben, was bisher noch jede neue Industrie im Kapitalismus nach einer ersten Expansions- und Goldgräberphase erlebte: eine beschleunigte Kapitalkonzentration durch das Eingehen oder die Übernahme kleiner und mittlerer Unternehmen durch die großen Konzerne, auch wenn das den Regierungen Thüringens und Bayerns, die den Verlust von Arbeitsplätzen fürchten, nicht gefällt. Dass dies seitens der Bundesregierung in Kauf genommen wird, könnte auch mit den politischen Prioritäten der schwarz-gelben Koalition zusammenhängen, deren wohlwollende Haltung gegenüber der Atomlobby dem Ausbau erneuerbarer Energien generell nicht gerade förderlich ist.

Doch während die Unternehmen der Solarbranche um ihre Zukunft bangen, sind die Prognosen für andere Bereiche der Erzeugung erneuerbarer Energien deutlich optimistischer. Vor allem der Windenergiebranche scheint es trotz der Krise gut zu gehen. Die Produktion stieg gegenüber dem Vorjahr um 10,8 Milliarden Kilowattstunden. Damit erreichten die erneuerbaren Energien zusammen insgesamt einen Anteil am gesamten Energieverbrauch von 10,6 Prozent – 2008 waren es noch 9,5 Prozent. Vom verbrauchten Strom lieferten die erneuerbaren Energien 16,1 Prozent. Der höchste Anteil davon wurde mit 40,7 Prozent durch Windanlagen produziert. Und durch den Aufbau großer Offshore-Windparks vor der Nordseeküste sind für das laufende Jahr noch größere Steigerungen zu erwarten.
Nun ist die Kapitalkonzentration in der Windenergiebranche aber auch erheblich höher als in der Solarindustrie. 98 Prozent der neu bereitgestellten Energieleistung aus Windenergie wurden von nur sieben großen Herstellern produziert. Dadurch ist die Anfälligkeit der Windenergiebranche gegenüber Krisen und Konkurrenz auch geringer, da sich einige große Unternehmen stabiler am Markt behaupten können als viele kleine. Eine Entwicklung hin zu wenigeren größeren Wettbewerbern will die Bundesregierung offenbar auch in der Solarenergiebranche erzwingen. Doch wie man sieht, hat die Koalition hier offenbar mit starken inneren Widersprüchen zu kämpfen: Während die FDP als Partei des ökonomischen Sozial­darwinismus die absehbaren Firmenpleiten für einen quasi naturwüchsigen Anpassungsvorgang hält, sehen zumindest Teile der Unionsparteien Arbeitsplätzen in den von ihnen repräsentierten Standorten in Gefahr – und damit auch ihre Wahlergebnisse.