Neujahrsbotschaften aus dem Iran

Feuer und Flamme für den Diktator

Gegen den Willen der iranischen Machthaber wurde das persische Neujahr gefeiert. Doch die Oppositionsbewegung stagniert, eine neue Strategie gibt es nicht.

Am Ende eines Jahres sprechen Staatsmänner gerne gewichtige Worte zur Lage der Nation. Das gilt auch für Newroz, das persische Neujahrsfest, und so versprach Mahmoud Ahmadinejad seinen Mitbürgern, »den Weg zur Vormachtstellung mit noch höherer Geschwindigkeit« verfolgen zu wollen. Wieder einmal mussten sich die Iraner anhören, dass die Wahl vom vorigen Jahr mit ihren »eindeutigen, entscheidenden und vielen Stimmen für den gewählten und pflichtbewussten Präsidenten einen klaren Weg in die Zukunft« weise und die »Globalisierung der Revolution« zum Ausdruck bringe. Mit dieser Wahl habe sich die »neue humanitäre und wahre Methode der Demokratie und der Herrschaft der Guten« vor den Menschen in der Welt offenbart.
Der religiöse Führer Ali Khamenei trat ebenfalls vor die Kameras und sprach versonnen, wenn er das zurückliegende Jahr in einem Satz beschreiben wolle, dann sei es wohl »das Jahr der iranischen Nation« und ihres Sieges gewesen. Auch Khamenei verkündete seinen Mitbürgern einmal mehr, was für ein großartiger Moment in ihrer revolutionären Geschichte doch die Wahl im vergangenen Jahr gewesen sei, auch wenn die Feinde der Islamischen Republik im Folgenden alles versucht hätten, um die Revolution von innen her zu untergraben. Man habe aber die Verschwörer in die Knie gezwungen.
Die Neujahrsreden der beiden waren nicht besonders originell und keinesfalls grotesker als sonst auch, aber sie beschreiben die offizielle Interpretation der Lage im Iran. Spätestens seit der Unterdrückung der Demonstrationen zum Jahrestag der Revolution Anfang Februar wird vom Regime stoisch behauptet, es herrsche »Normalität«. Wie unbehaglich diese vorgebliche Normalisierung für die Machthaber allerdings ist, zeigten die nächtlichen Freudenfeuer und Feuerwerkskracher am Chahar Shanbeh Souri, dem »roten Mittwoch«, mit dem der iranische Jahreswechsel traditionell beginnt.

Dieser populäre Festtag mit seiner »altiranischen« Feuersymbolik ist dem konservativen Klerus als prä- und damit tendenziell antiislamisch verdächtig, wenn nicht sogar ausgesprochen verhasst. Bargen die spontanen Nachbarschaftsfeiern an Straßenecken, bei denen Mülltonnen brannten und Feuerwerk krachte, bereits in früheren Jahren immer wieder ein nur scheinbar unpolitisches Konfliktpotential, weil Revolutionsgardisten und andere Tugendwächter solche Versammlungen prügelnd zu zerstreuen suchten, ließ das Regime im vergangenen Jahrzehnt die Menschen am »roten Mittwoch« etwas gelassener gewähren.
Bis zu diesem Jahr. Zwar war von der »grünen« Opposition nicht zu Demonstrationen aufgerufen worden, aber allein der Umstand, dass die Bevölkerung trotz offizieller Missbilligung an diesem Tag ausgelassen feiern könnte, machte das Ganze zu einer hochpolitischen, symbolischen Angelegenheit. Dazu hatte Khamenei höchstpersönlich mit einer Art Fatwa gegen das Fest beigetragen, die es als »der Korruption förderlich« bezeichnete und klarstellte, es habe keine Basis im Islam. Die Propagandakanäle des Regimes zitierten bekannte Geistliche mit der Aussage, dass das Fest purer Aberglaube und der Verkauf von Feuerwerkskörpern überhaupt religiös verboten sei. Die Polizei meldete vor dem Fest die Entdeckung von illegalen Feuerwerksverkaufsstellen, am roten Mittwoch wurden dann Motorräder aus der Innenstadt verbannt, die städtischen Mülltonnen eingesammelt und die Geschäfte geschlossen. Die Bassij-Milizionäre und Revolutionsgardisten sammelten sich an neuralgischen Plätzen, um abends in den Straßen zu patroullieren.

Der Effekt dieser Bemühungen war jedoch, dass sich das Regime lächerlich machte. Denn trotz der deutlichen Worte des religiösen Führers und des martialischen Aufgebots feierten die Menschen. Iranische Blogger berichten von Revolutionsgardisten, die sich aus engen Wohnstraßen zurückziehen mussten, weil sie von den Anwohnern mit selbstgebauten und daher nicht ungefährlichen Feuerwerkskrachern beworfen wurden, und traditionellen Feuern im gesamten Teheraner Stadtgebiet, über die nicht zuletzt auch Frauen sprangen – immer wieder angeblich auch ohne Kopftuch.
Das diesjährige Newroz hat erneut deutlich gemacht, dass in der iranischen Innenpolitik eine Stagnation eingetreten ist, während die ideologischen Grundlagen des Regimes unaufhaltsam erodieren. Allerdings stagniert auch der organisierte Massenprotest der »grünen Bewegung«. Eine neue Strategie statt der bisherigen Abfolge von Demonstrationen zu Anlässen nach dem Festkalender der Islamischen Republik ist noch nicht in Sicht. Die Neujahrsbotschaften von Mir Hussein Mousavi und Mehdi Karroubi haben zwar klargemacht, dass von einer Normalisierung der Lage keine Rede sein kann. Einen konkreten Anhaltspunkt dafür, wie eine Transformation innerhalb des Systems bewerkstelligt werden könnte, enthielten sie gleichwohl auch nicht.
Mousavi forderte »Geduld«, der Wandel werde langsam sein. Karroubi gab wieder einmal den Radikaleren und verkündete, die Islamische Republik, der die Menschen am Beginn der Revolution ihre Stimme gegeben hätten, sei »nicht die Islamische Republik, die wir nun haben«. Dass Mousavi wiederum explizit von der Notwendigkeit sprach, die soziale Basis der Opposition zu vergrößern und gezielt Lehrer und Arbeiter anzusprechen, weist allerdings auf den nächsten wahrscheinlichen Konflikt in der Islamischen Republik hin. Die soziale Lage im Iran verschlechtert sich rapide.
Da mag Ahmadinejad noch so freudestrahlend fabulieren, dass die iranische Nation keine Rezession, sondern nur hohe Wachstumsraten auf allen Gebieten kenne. Doch außer dem Besitz der vom Regime Begünstigten wächst im Iran wenig. Die als besonders großzügig gepriesene Erhöhung des Mindestlohns, der die offizielle Armutsgrenze markiert, von umgerechnet 260 Dollar im Monat auf 303 Dollar für das neue Jahr hat umgehend zu Protesten unabhängiger Gewerkschafter geführt. Zumal selbst der Mindestlohn wegen der Korruption und der ineffizienten Verwaltung gerade im vorigen Jahr in zahlreichen staatlichen Betrieben monatelang gar nicht ausbezahlt wurde.
Auch ist absehbar, dass die Inflation im nächsten Jahr weiter steigen wird. Selbst in den Staatsmedien sind mittlerweile Ökonomen zu Wort gekommen, die den nötigen Mindestlohn zur Ernährung einer Familie zumal in Teheran auf 900 bis 1 000 Dollar im Monat schätzen. Jaafar Azim Zadeh, der Vorsitzende der Freien Vereinigung der Iranischen Arbeiter, hat in einem Interview mit der Deutschen Welle gesagt: »Ich nehme an, dass sich die Proteste von Arbeitern im nächsten Jahr vervielfachen und über das ganze Land verbreiten werden.«

Die Streichung der Subventionen ist ein zentraler Bestandteil des Regierungsprogramms von Ah­madinejad, sofern von einem solchen Programm, einem politischen Plan, überhaupt die Rede sein kann. Ein grundlegendes Problem dabei ist die geplante Ersetzung der allgemeinen Subventionen durch direkte Zahlungen an untere Einkommensgruppen. Einerseits gehen selbst regierungstreue Experten von einer dadurch kräftig steigenden Inflation aus, andererseits ist es absehbar, dass diese Milliardenzahlungen von Ahmadinejad vor allem zur gezielten Klientelpolitik verwendet werden würden – sofern sie nicht gleich unterschlagen werden.
Der Widerstand der Konservativen oder »Prinzipalisten« gegen dieses Programm war bisher beträchtlich. Das Parlament hat nur die Hälfte der von Ahmadinejad vorgesehenen Subventionskürzungen genehmigt, im nun beginnenden Haushaltsjahr sollen 20 statt 40 Milliarden Dollar weniger gezahlt werden. Diese Regelung wurde vom Wächterrat abgesegnet. Die Fraktion Ahmadinejads hatte auf die Parlamentsentscheidung mit der Ankündigung reagiert, den Kürzungsplan dann lieber gar nicht verwirklichen zu wollen, woraufhin führende »Prinzipalisten« darauf verwiesen, dass der nun beschlossene Haushalt Gesetzescharakter habe und der vereidigte Präsident daher verpflichtet sei, ihn zu akzeptieren.
Khamenei, den Ahmadinejad um Hilfe gebeten hatte, ist es bisher nicht gelungen, den Konflikt zwischen dem ungeliebten Präsidenten und den »Prinzipalisten« zu entschärfen. Das zeigt auch der neueste Vorschlag Ahmadinejads, doch einfach ein Referendum über die Kürzungen abzuhalten. Das ist nur als unverblümte Drohung an den religiösen Führer zu verstehen, der seine Anhänger im Parlament zum Nachgeben bewegen soll. Denn ein öffentliches Referendum, worüber auch immer, ist wohl das allerletzte, was sich das Regime derzeit erlauben könnte.
Während so der Weg der Islamischen Republik in die politische und ökonomische Agonie vorgezeichnet ist, handelt das Regime, wo es noch handlungsfähig ist. Es lässt Oppositionelle verhaften, wobei vor den Newroz-Feiern ein makabres Spiel aufgeführt wurde, mit Verhaftungen, Verurteilungen, dann mit plötzlichen Freilassungen vor allem Prominenter auf Kaution und erneuten Verhaftungen. Dazu gehört auch, dass erneut eine Reihe von Demonstranten als »Gotteslästerer« zum Tode verurteilt worden sind und sich ihre Fälle nun im »Berufungsverfahren« befinden.
Zumindest in diesem Zusammenhang ist eine weitere Grußbotschaft zum iranischen Neujahr von Interesse, die vor allem an die »Führer« des Iran gerichtet war. Die Botschaft des US-Präsidenten Barack Obama beabsichtigte vor allem, diesen Führern zu versichern, dass man weiterhin mit ihnen »Dialoge führen« und kooperieren wolle. Allerdings zieren sich die Angesprochenen. Obama sprach auch das »iranische Volk« an und sagte, die Vereinigten Staaten stünden für die »Würde jedes einzelnen Menschen«, die Rede war auch von »internationaler Ordnung« und »Gerechtigkeit«. Wie sein Vorgänger von Demokratie oder Freiheit zu sprechen, vermied Obama. Er versprach jedoch Stipendien für den Austausch von Studenten. Viele der Adressaten dieses Angebots befinden sich allerdings derzeit im berüchtigten Evin-Gefängnis.