Berlusconis Image-Probleme und die Regionalwahlen in Italien

Wo die Liebe siegen soll

Er ließ seine Wähler nach Rom kommen und für sich demonstrieren. Er inszenierte sich erneut als Opfer der Justiz und des »linken Hasses« gegen ihn. Bei den Regionalwahlen am Sonntag fürchtet Silvio Berlusconi eine Niederlage. In der Provinz Rom und in Rom selbst hat es seine Partei versäumt, die Wahllisten rechtzeitig einzureichen, und wurde von der Wahl aus­geschlossen. Für Berlusconi sind »die Kommunisten« schuld.

»Wir werden die Melancholie des Sonnenuntergangs besiegen«, versprach Silvio Berlusconi, als er vergangene Woche zum Abschluss einer Demonstration seiner Partei Volk der Freiheit (PdL) auf die Bühne trat. Die Anspielung auf das dämmrige Licht des späten Nachmittags geriet ihm unfreiwillig zur Metapher. Bei den Regionalwahlen am kommenden Sonntag geht es für ihn um seine eigene Machtposition.
Die persönlichen Umfragewerte des italienischen Ministerpräsidenten sind seit Wochen rückläufig, die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen wächst. Er scheint den Zenit seiner Macht überschritten zu haben. Die Regionalwahlen werden nicht Berlusconis politischen Niedergang hervorbringen. Sie könnten ihn aber beschleunigen.
Auf den ersten Blick gibt die statistische Ausgangslage dem italienischen Ministerpräsidenten keinen Grund zur Schwermut. Gewählt wird in 13 von 20 italienischen Regionen, bisher werden nur zwei der zur Wahl stehenden Regionen von der Mitte-Rechts-Koalition regiert. Alle Prognosen stimmen jedoch darin überein, dass es nach der Wahl mindestens vier sein werden. Die Rechte wird vermutlich die beiden nördlichen Regionen Lombardei und Venetien halten und in Süditalien Kalabrien und Kampanien dazugewinnen können. Dagegen könnten die sicher geglaubten Regionen Piemont und Latium aufgrund koalitionsinterner Querelen und Machtkämpfe innerhalb des PdL nun doch noch verlorengehen.
Nachdem der Stimmenanteil der rechtspopulistischen Lega Nord bei den Parlamentswahlen 2008 maßgeblich zum dritten Wahlsieg Berlusconis beigetragen hatte, musste er in den norditalienischen Regionen dem Druck des Koalitionspartners nachgeben. Zwei der drei Spitzenkandidaten werden dort nicht mehr vom PdL, sondern von der Lega gestellt, die mit ihrer rassistischen Hetze in weiten Teilen Norditaliens längst zur stärksten politischen Kraft geworden ist. Selbst wenn es für ihren Kandidaten im Turiner Regionalparlament knapp werden könnte, so dürfte sie insgesamt doch einen weiteren Stimmenzuwachs für sich verbuchen können.
Im Latium galt der Sieg der ehemaligen Generalsekretärin der rechten Gewerkschaft UGL, Renata Polverini, bis vor einigen Wochen als ausgemacht, auch weil sie sich der Unterstützung der extremen Rechten sicher sein konnte. Die Neo­faschisten hatten bereits vor zwei Jahren ihrem ehemaligen Kameraden Gianni Alemanno zur Wahl ins Amt des Oberbürgermeisters von Rom verholfen. Wegen parteiinterner Unstimmigkeiten wurden die Wahllisten in der Provinz Rom jedoch Ende Februar unvollständig und außerhalb der zulässigen Fristen abgegeben. Der PdL wurde daraufhin von der Wahl ausgeschlossen. So viel Dilettantismus schien selbst der Opposition unheimlich zu sein. Sie ließ durchblicken, dass sie bereit wäre, einer nachträglichen Zulassung des PdL zuzustimmen, wenn die Partei den Fehler ihrer Wahlleiter offiziell im Parlament eingestehen und sich um eine einvernehmliche Lösung mit der Opposition bemühen würde.

Die Regierung entschied sich jedoch für das Gegenteil. Berlusconi erließ per Dekret sogenannte Interpretationsrichtlinien für das Wahlgesetz. Dadurch sollte per Eilverordnung die Liste des PdL nachträglich zugelassen werden. Trotz schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken unterzeichnete der Staatspräsident diese Eilverordnung. Die regionalen Gerichte lehnten die Zulassung der Liste Polverini jedoch weiterhin ab. Auf den Stimmzetteln in der Hauptstadt und in der Provinz Roms wird deshalb das Parteisymbol der Regierungspartei fehlen. Möglicherweise werden sich die Stimmen des PdL auf die Listen kleinerer Rechtsparteien verteilen, die sich bereits im Vorfeld für eine Unterstützung Polverinis ausgesprochen haben. Allgemein aber fürchtet die Rechte in Rom eine massenhafte Stimmenthaltung ihrer Wählerklientel. Die Kandidatin der Mitte-Links-Koalition könnte von dieser Situation profitieren und die Wahl im Latium mit einem knappen Vorsprung für sich entscheiden. In diesem Fall wird der PdL wohl alle richterlichen Instanzen durchlaufen und auf eine nachträgliche Annullierung des Wahlergebnisses spekulieren.
Berlusconi ging in den vergangenen Tagen dazu über, die Opposition zu beschuldigen, sie habe seinen römischen Wahlleitern die reguläre Abgabe der Wahllisten verwehrt. Auch die Staatsanwaltschaft, die jeden Einspruch seiner Partei gegen den Wahlausschluss zurückgewiesen habe, sei von der Opposition kontrolliert.

Die Verdrehung der Tatsachen gelingt ihm umso besser, als im Vorfeld der Wahl alle politischen Diskussionssendungen der staatlichen Fernsehanstalt Rai im Namen des »Par condicio«-Gesetzes abgesetzt wurden. Dieses schreibt vor, dass allen politischen Kräften gleiche Zugangsrechte zu öffentlichen Radio- und Fernsehsendungen zugestanden werden müssen. Unter dem Vorwand, jegliche Benachteiligung von vornherein ausschließen zu wollen, entschied der Verwaltungsrat der Rai, in dem die Partei von Berlusconi aufgrund ihrer Regierungsmehrheit über den größeren Stimmanteil verfügt, alle politischen Sendungen 30 Tage vor der Wahl auszusetzen. Die Polit-Talkshows auf den von Berlusconis Familienunternehmen Mediaset kontrollierten Privatsendern laufen dagegen weiter.
Dennoch schien dem Ministerpräsidenten die Einflussnahme nicht weitreichend genug. Neuesten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge hat Berlusconi versucht, über ein Mitglied der Medienaufsichtsbehörde die Absetzung der regierungskritischen Talkshow »Annozero« auf Rai 2 zu erzwingen. Ausgerechnet der Direktor der wichtigsten italienischen Nachrichtensendung TG1 soll ihn dabei unterstützt haben.
Das Fernseh-Blackout sorgt derzeit dafür, dass die politischen Gegner Massendemonstrationen veranstalten, die per livestream im Internet verfolgt werden können.

Am Wochenende versammelte Berlusconi seine Anhänger unter dem Motto »Die Liebe siegt immer über Neid und Hass«. Auf der Abschlusskundgebung vor der Basilika S. Giovanni in Rom scharte er in einer grotesken Inszenierung alle seine Kandidaten wie Apostel um sich und ließ sie im Chor auf seine politischen Gebote schwören, denen das Volk der Freiheit zuvor per Akklama­tion zugestimmt hatte.
Bereits eine Woche zuvor hatte die Opposition zu einer Demonstration aufgerufen. Zwar war es der Opposition gelungen, alle Parteivorsitzenden des linksliberalen Spektrums auf einer Protestbühne zu vereinigen, doch von einem einheit­lichen Widerstand gegen die Rechtskoalition kann keine Rede sein. Die größte Oppositionspartei, der Partito Democratico (PD), scheut die direkte Konfrontation mit Berlusconi und schielt weiterhin zur christdemokratischen Mitte, die sich in den Regionen alle Bündnisoptionen offenhält. Im Latium hat der PD keinen eigenen Kandidaten aufgestellt, er unterstützt stattdessen Emma Bonino von der Partei der Radikalen. Da sie vor allem radikal laizistische Positionen vertritt, wäre ihr Sieg in der Stadt des Vatikan eine kleine Sensation. Die Hoffnungen der Linken ruhen hingegen auf Nicki Vendola von der Rifondazione-Abspaltung »Sinistra, Ecologia e Libertà«. Vor fünf Jahren gewann der Kommunist überraschend die Wahlen in Apulien. Seine Chancen, im Amt bestätigt zu werden, stehen gut. Er gilt schon jetzt als neuer Stern am Himmel der italienischen Politik.