»Man lebt in zwei Welten«

Sofern es an den deutschen Unis überhaupt Arbeiterkinder gibt, haben die es in der Regel nicht leicht. Um ihre Belange geht es im Magazin The Dishwasher. Herausgegeben wird es vom Asta der Uni Münster. Ein Gespräch mit Arbeiterkind und Chefredakteur Andreas Kemper (46).

»Arbeiterkind« hört sich verstaubt an. Wen meint Ihr damit?

Es gibt da verschiedene Definitionen. Arbeiterkinder verbindet die niedrigsoziale Herkunft. Es gibt auch Studien, die zur Definition auflisten, wie viele Bücher im elterlichen Haushalt vorhanden waren. Ungefähr zwölf Prozent aller Studierenden gelten als Arbeiterkinder.
Hast du besondere Probleme im Vergleich zu deinen Kommilitonen, weil dein Vater in der Fabrik gearbeitet hat?

Ja, schon. Arbeiterkinder haben es zum Beispiel wesentlich schwerer, einen Hiwi-Job zu bekommen. Das liegt daran, dass man ständig Geld verdienen muss und nicht immer darauf achten kann, wie sich der Lebenslauf vollkriegen lässt. Und zum anderen sind die Jobs an der Uni meist schlecht bezahlt. Ich selbst schreibe gerade meine Doktorarbeit und kellnere nebenbei. Und ich hatte selber viele Ängste, etwa, dass ich in die Welt meiner Familie nicht mehr hineingehöre und dass ich in der Welt der Akademiker aber auch nie wirklich heimisch werden könnte. Man lebt in zwei Welten.

Erkennt man Arbeiterkinder an der Uni anhand ihrer Haltung?

Ich habe gehört, dass Studenten mit dieser Herkunft eher Fächer studieren, in denen es kollegial zugeht. Wo es hart zugeht, etwa im Jurastudium, gibt es weniger von ihnen. Fächer, in denen Studenten und Dozenten ein gutes Verhältnis haben, besitzen einen hohen Anteil an Studenten von nichtakademischen Eltern. Da fragt sich, ob die Atmosphäre wegen denen so gut ist oder ob sie diese Fächer wählen, weil sie die Atmosphäre als gut empfinden.
Aber Arbeiterkinder sind doch nicht zimperlich im Umgang mit Konkurrenten. Ich erinnere mich da an Schröder und Stoiber, wie sie sich im Kanzlerduell stritten, wer es als Kind härter hatte.
Diese Männer haben es ja alleine geschafft und dafür war jede Menge Ellenbogeneinsatz gefragt. Die gehen dann auch davon aus, andere müssten ebenso hart kämpfen und wollten sich nicht gegenseitig beim Aufstieg helfen.
Was motiviert aufstiegswillige Arbeiterkinder wie dich?
Ich wollte lesen, diskutieren und studieren. Nicht acht Stunden in der Fabrik stehen wie mein Vater, der schon mit 42 gestorben ist. Arbeiter haben eine geringere Lebenserwartung. Das wollte ich auf keinen Fall. Um diesen eben erwähnten Konkurrenzdruck zu vermeiden, brauchen wir ein soziales und politisches Netzwerk. Es gibt ja keine Burschenschaften für Arbeiterkinder oder so etwas.