Wenn doch nur mehr Journalisten schreiben könnten wie Benjamin von Stuckrad-Barre

Mit Günter Grass diskutieren

Beim Pop-Adel (»Tristesse Royale«) hat er begonnen, inzwischen ist Benjamin von Stuckrad-Barre beim Boulevard gelandet, was ihm kein bisschen geschadet hat. Zwei Jahre lang konnte man auf der Homepage der B.Z. seine gerade als Buch mit dem Titel »Auch Deutsche unter den Opfern« erschienenen Reportagen über die Protagonisten der Republik nachlesen.

Zugfahren mit der Kanzlerin im »Rheingold«. Knut und seine euphorisierte weibliche Fangemeinde im Berliner Zoo beobachten. Bei einer Günter-Grass-Lesung mit Deutschlands führendem Intellektuellen diskutieren wollen. Und, die hübscheste Idee überhaupt, mit Til Schweiger in ein Multiplex-Kino gehen und zusammen seinen Kassenknüller »Keinohrhasen« ansehen. Es wird gar nicht erst so getan, als ob man Medienfiguren wie Angela Merkel oder Sabine Christiansen zufällig auf einer einsamen Berghütte getroffen und sehr viel Zeit miteinander verbracht hätte. Im Gegenteil, das Zurechtinszenierte der Begegnung von Journalist und Promi, die absolute Künstlichkeit der Situation, der Zeitdruck, der Medientross, das Management werden nicht kaschiert, sondern sind der Kontext der Reportage. Enstanden ist eine Art Zeit- und Deutschland-Roman, längst nicht so dicht und reich an Erkenntnissen wie Rainald Goetz’ Mammutprojekt »Abfall für alle«, aber amüsant, subjektiv, authentisch. Wenn mehr Journalisten schreiben könnten wie Benjamin von Stuckrad-Barre, gäbe es das Zeitungssterben wahrscheinlich nicht.

Benjamin von Stuckrad-Barre: Auch Deutsche unter den ­Opfern. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010, 336 Seiten, 14,95 Euro