Chile war überall

Berlin Beatet Bestes. Folge 42. Chile Venceremos (1974)

In Westdeutschland wurden nach dem Putsch in Chile im September 1973 binnen weniger Wochen weit über 1 000 Komitees gegründet, die an Unis, auf den Straßen und in Betrieben Solidaritätsarbeit organisierten. Fast jede linke Gruppe und Partei mischte irgendwo in der Solidaritätsarbeit mit. Insbesondere die maoistischen K-Gruppen versuchten, in den Komitees die Macht an sich zu reißen. Die Gruppe, die diese Platte aufgenommen hat, scheint dagegen ein loser Zusammenschluss gewesen zu sein. Der wütend berlinernde, sehr an Ton Steine Scherben erinnernde Vortrag und die klöterige Percussion im Hintergrund lassen eher an ein lässiges WG-Plenum denken als an stramme Maoisten:

Chile Venceromes. / Unser Zorn ist stark, der Hass gibt uns Kraft. / Unsre Liebe zu euch ist unendlich groß. /  Chile, dein Volk ist so stark geworden, dass die Kapitalisten euch jetzt ermorden müssen. / Chile, wie viel Blut ist geflossen? / Chile, wie viel haben sie schon von euch erschossen? / Doch der Widerstand ist ungebrochen. / Und wir, wir müssen nur zuschauen. /  Wir würden euch jetzt am liebsten zur Seite stehn, mit euch zusammmen, zusammen zur Front gehn. / Denn euer Feind ist der gleiche, der uns alles nimmt, der alles in seinen Klauen hat und unser Leben bestimmt. / Und ihr könnt euch auf uns verlassen, dass wir den Klassenfeind genauso hassen und ihn bekämpfen in unserm Land. / Und ihn mit euch gemeinsam besiegen im Weltaufstand. / Und ihr, Genossen habt euch gegen das Kapital gewehrt. /  Ihr habt euch um tausende, tausende Genossen vermehrt. / Deshalb herrscht in eurem Lande jetzt Terror und Mord, aber der Zeitpunkt nähert sich, dann schmeißen wir unsre Ausbeuter gemeinsam aus unserem Lande fort. / Und die Völker bestimmen selber ihr Leben, und kein Henker kann unsere Reichtümer nehmen.

An diese überzeugenden viereinhalb Minuten schließen sich Interviews mit Angehörigen von Verschleppten, Gefolterten und Ermordeten an. Auf der zweiten Seite hört man die Stimmen von verzweifelten Menschen, die im Leichenschauhaus der Hauptstadt und vor dem Nationalstadion, damals ein Lager mit zehntausenden Gefangenen, nach ihren Angehörigen suchen. Diese Platte ist musikalisch heute eher amüsant. Aber der Schock und die Unmittelbarkeit sind in diese Veröffentlichung eingepresst. Es war damals offenbar wichtig, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen.