Die Finanzreform von Barack Obama

Man kann nicht immer blockieren

Bei der Reform des Finanzsektors kann US-Präsident Barack Obama wohl auch auf republikanische Unterstützung zählen. Unklar ist jedoch, wie streng die Regulierung ausfallen wird.

Die derzeit unpopulärsten »Leistungsträger« in den USA sind die Banker der Wall Street, die im Jahr 2008 spektakulär das Vermögen vieler Anleger verspielt haben. Diese Unbeliebtheit erleichtert es Präsident Barack Obama offenbar, den Finanzsektor zu reformieren. Ein Gesetz könnte schon bald verabschiedet werden. Zwar hatte Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, noch Mitte April erklärt, er wolle jegliche Regulierung der Finanzbranche blockieren. Doch haben ihm seitdem einflussreiche republikanische Senatoren wohl klar gemacht, dass sie eine Blockade wie bei der Gesundheitsreform nicht mittragen werden.
Der Landwirtschaftsausschuss, der zum Teil für den Derivatenhandel zuständig ist, hat mit Zustimmung des Republikaners Chuck Grassley bereits eine Gesetzesvorlage verabschiedet. Im Bankenausschuss versucht der dortige Oppositionsführer Richard Shelby noch, die Vorlage der Demokraten abzuschwächen, doch gab Shelby am Wochenende bekannt, dass nur noch technische Fragen geklärt werden müssten, bevor er seine Zustimmung geben könne. Wenn das geschehen ist, steht der ersten umfassenden Reform des Finanzsektors seit der Großen Depression der dreißiger Jahre wohl nichts mehr im Weg.

Es sei denn, die etwa 30 stramm oppositionellen Republikaner, die ohne inhaltliche Überprüfung alle Gesetzesvorschläge der Demokraten ablehnen, können ihre rund zehn kompromissbereiten Parteifreunde doch noch zu einer Ablehnung bewegen. Möglich ist auch, dass die etwa 15 progressiven demokratischen Senatoren sich entscheiden, einer aus ihrer Sicht unzureichenden Reform die Zustimmung zu verweigern. Überdies vergeben die Finanzkonzerne hohe Wahlkampfspenden, diese von Obama kritisierten »Lobbyisten-Bataillone« könnten noch Einfluss nehmen.
Doch die Zivilklage gegen die Investmentbank Goldman Sachs hat die Position der »Wall Street« weiter geschwächt. Der Anklageschrift zufolge hat die Bank den Anlegern einen Investmentfonds angedreht, der dann wie geplant an Wert verlor, so dass ein im Verborgenen agierender Hedge-Fonds und die Bank selbst Milliardengewinne einstreichen konnten. Verluste erlitten auch Rentenfonds, einmal mehr müssen viele Amerikaner um ihre Alterversorgung fürchten.
Nun scheint die Geduld der »Main Street«, der »einfachen Amerikaner«, mit der »Wall Street« erschöpft zu sein. Bei der rechtslibertären Tea-Party-Bewegung wie auch bei den sozialdemokratischen Progressiven finden populistische Töne Gehör. Einer am Montag veröffentlichten Umfrage zufolge befürworten zwei Drittel der Amerikaner ein striktere Regulierung der Finanzbranche, viele fordern die Zerschlagung der Großbanken und die Abwahl bankenhöriger Abgeordneter beider Parteien. Im rezessionsbedingt rauen politischen Klima scheint eine Blockade der Finanzreform für keine Partei politisch opportun zu sein.
Allerdings bleibt unklar, um was für eine Reform es sich handeln wird. Es gilt als sicher, dass Investmentbanken künftig erstmals Regulierungen unterliegen sollen. Die Kunden gewöhnlicher Banken werden durch einen von der Behörde FDIC kontrollierten Fonds im Fall einer Insolvenz vor großen Verlusten geschützt. Einen ähnlichen Fonds sollen nun auch Investmentbanken aufbauen, damit sie nicht mehr mit staatlichen Finanzhilfen gerettet werden müssen. Der Derivatenhandel soll eingeschränkt oder strenger überwacht werden. Schließlich ist die Einrichtung einer Aufsichtsbehörde für den Schutz von Klein­investoren und Pensionsfonds geplant.

»Was schlecht für die Wall Street ist, wäre gut für Amerika«, sagt der kritische Ökonom Paul Krugman. Doch die moderaten Republikaner wollen den Banken wohl alles geben, was derzeit politisch durchsetzbar ist. So könnten die neuen Regulierungs- und Aufsichtsinstanzen der weitgehend den Interessen der Finanzkonzerne dienenden Notenbank Fed statt einer staatlichen Behörde unterstellt werden. In den Versicherungsfonds der Großbanken sollen 50 Milliarden Dollar eingezahlt werden. Das ist nur ein Bruchteil der für die Rettung der Banken aufgewendeten Summe, doch könnte Obama auch dem deutschen Vorbild folgen und sich mit symbolischen Zahlungen begnügen. Er sagte in der vergangenen Woche in einer Ansprache vor Bankern, die Reform sei »im wohlverstandenen Interesse des Finanzsektors«. Nach der Rede stiegen die Aktienkurse.