Beim Bildungskongress der Taz

Stipendium gefällig, Euer Exzellenz?

Das Ideal des Leistungsträgers ist auch in der Universität angekommen. Damit beschäftigte sich der Bildungskongress der Taz.

Die Universität ist ein Spiegel der Gesellschaft. Auf diese simple und dennoch zutreffende Feststellung konnten sich die meisten Teilnehmer des Taz-Labors zum Thema Bildung am vergangenen Samstag einigen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto »Welche Universitäten wollen wir?«, und um das herauszufinden, ging es vor allem um die Frage, welche Universitäten wir eigentlich haben.
Das bundesdeutsche Hochschulsystem hat sich in den vergangenen Jahren verändert, durch die Einführung der Studiengebühren, den Bologna-Prozess und die Exzellenzinitiative, mit der sich Bund und Länder seit 2006 verstärkt um die sogenannte Elitenförderung bemühen. Die Standortverteilung dieser »Leuchttürme der Wissenschaft« korreliert hervorragend mit dem Wohlstandsgefälle zwischen den unterschiedlichen Bundesländern. Im Süden der Republik gibt es die meisten Eliteuniversitäten, im Norden nur wenige und im Osten gar keine. Der Leistungsdruck in den Bachelor-Studiengängen findet seine gesellschaftliche Resonanz in der Überforderung von Schülern durch das Turbo-Abitur und der enorm gestiegenen Arbeitsüberlastung von Arbeitnehmern.

Was sich in den vergangenen Jahren in den Universitäten kaum verändert hat, entspricht den gesellschaftlichen Konstanten. Die Abwesenheit von Frauen in akademischen Spitzenpositionen ist immer noch ein fester Bestandteil der universitären Hierarchie. Die kürzlich vorgelegte Studie des Hochschul-Informations-Systems beweist, dass sich die Rekrutierung der Studierenden ebenfalls an altbewährten Traditionen orientiert. Die Kinder von Akademikern werden Akademiker, das war schon immer so, und daran soll sich auch nichts ändern. In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf für die Einführung eines nationalen Stipendienprogramms beschlossen. Diese Förderung soll nicht nur leistungsbezogen sein, sondern auch einkommensunabhängig, sie belohnt vor allem diejenigen Studenten, die keine Finanzsorgen haben. Das passt sehr gut zur schwarz-gelben Programmatik in der Steuerpolitik. Auf dem Podium im Berliner Haus der Kulturen der Welt beharrte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) darauf, dass diese Form der Stipendienvergabe sozial gerecht sei. Wer die staatliche Unterstützung nicht brauche, könne ja damit freiwillig bedürftige Studierende unterstützen, befand die Ministerin. Als Beweis, dass dieses Modell funktioniere, führte sie sich selbst an, vielleicht auch mangels weiterer prominenter Mäzene. Die Tatsache, dass Schavan von ihrem Ministerinnen­gehalt zwei Stipendien finanziert, löste im Saal keine Welle der Begeisterung aus. Vielleicht hätte ein Auftritt von Peter Sloterdijk, der sich in den vergangenen Monaten nicht nur als Ideologe der Leistungsgesellschaft etabliert, sondern sich auch durch eigenwillige Vorschläge für die Staatsfinanzierung auf freiwilliger Spendenbasis hervorgetan hat, für mehr Stimmung gesorgt.

»Das sind feudale Verhältnisse«, so beschrieb Alessandra Rusconi, Forscherin am Wissenschafts­zentrum Berlin, ihre Erfahrungen mit der Arbeitsrealität in deutschen Universitäten. In die Bezahlung der Professoren wurde im Jahr 2002 eine leistungsbezogene Komponente eingeführt und die Grundvergütung dementsprechend herabgesetzt. Mit dem Ergebnis, dass sich zahlreiche Wissenschaftler bei dem Eintreiben von Drittmitteln verausgaben, durch die Exzellenzinitiative wurde dieser Mechanismus noch verstärkt. Die Doktoranden sind nicht nur vom Wohlwollen ihrer Doktorväter, sondern auch von deren Managementfähigkeiten abhängig, denn die schaffen zumindest befristete Stellen. »In den Universitäten gibt es nur Professoren und solche, die es werden wollen«, stellte Benjamin Bechtel, der in Hamburg promoviert, fest. Die Einrichtung von Professuren auf Lebenszeit war jedoch nicht Teil der politischen Bildungsoffensive. Nach der Habilitation folgt häufig die unbezahlte Tätigkeit als Privat­dozent, um die Lehrbefugnis nicht zu verlieren. Der wissenschaftliche Nachwuchs arbeitet befristet als Juniorprofessor. Oder er wird Lehrkraft für besondere Aufgaben, wobei das Besondere eine hohe Lehrbelastung ist. Ihnen wird suggeriert, dass nur die Besten bleiben dürfen. Für die vielen, die gehen müssen, gibt es zumindest die besseren Vorbilder. Karl Marx und Walter Benjamin wollte auch keine Hochschule beschäftigen.