Verewigt nicht alles!

Der letzte linke Student übt sich in Schwermut. Bekanntlich: Lenin war ein Künstler. Seine Kunst: war die hohe Kunst der Politik. Und genauso bekanntlich: Stalin war ein Stümper. Denn seine Kunst: war keine Kunst, sondern Kitsch. Und Gorbatschow – ach komm! Der letzte linke Student ist allerdings ebenfalls ein Künstler. Denn auch er: kann hohe Politik. Zumindest: auf dem Papier. Das aber: ist keine Einschränkung. Denn Lenin: war zunächst ein Papiertiger. Erst später: hatte er echte Krallen. Wie der Teelöwe von Brecht. Doch später: ist heute nicht. Heute ist: früher. Insofern ist der letzte linke Student: ein Künstler, der vor seinem künstlerischen Coming Out steht.
Was aber bedeutet das für den letzten linken Studenten? Es bedeutet: Er muss sich damit abfinden, noch wer zu werden. Und: noch niemand zu sein. Dennoch: »Ich sollte meine Notizen ordnen. Die Ordnung zeigt mir den Weg, der bereits in meinen Papieren vorgezeichnet ist. Alles, was ich bis jetzt geschrieben habe, ist Frühwerk. Doch alles, was mein Spätwerk, also mein Hauptwerk ausmachen wird, ist bereits in diesem Frühwerk vorgezeichnet. Wie bei Lenin, Trotzki oder Celan. Ich muss also nur die Hauptlinien finden, um zu wissen, worauf es hinausläuft.« Auf diese Weise vergewissert sich der letzte linke Student seiner selbst. Allerdings: Das schreibt er ins Tagebuch, nicht ins besondere Notizbuch. Denn siehe: Das Private gehört nur dann in den Nachlass, wenn es Bedeutung hat. Dies aber: ist nur die Vorstufe eines Selbstbesinnungsaufsatzes. Daher: muss es nicht ewig erhalten bleiben. Das denkt der letzte linke Student. Und auch wir sollten manches verheimlichen und nicht immer und nicht für alles auf Ewigkeit hoffen.