Zu säkular für die CDU?

Bis vor nicht allzu langer Zeit schien es nahezu undenkbar, dass hierzulande einmal eine Politikerin oder ein Politiker mit Migrationshintergrund ein Ministeramt übernehmen würde. Noch weniger vorstellbar mutete es an, dass diese Politikerin oder dieser Politiker der CDU angehören könnte, jener Partei also, die Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gesammelt und mit ausländerfeindlichen Parolen Landtagswahlkämpfe bestritten hat. Doch rund vier Millionen Zugewanderte, darunter 600 000 mit türkischen Wurzeln, stellen auch für die Union ein beträchtliches Wählerpotential dar. Nicht zuletzt deshalb holte Christian Wulff, Niedersachsens Ministerpräsident, Aygül Özkan als Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration in sein Kabinett. Dafür erntete er parteiübergreifenden Beifall. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir etwa fand: »Es gibt zwei Parteien in Deutschland, die sich ernsthaft für die Migranten in Deutschland einsetzen.« Er meinte seine eigene – und die der Christdemokraten.
Aygül Özkan, eine in Hamburg geborene Juristin und Managerin, deren Eltern 1963 aus der Türkei nach Deutschland eingewandert waren, trat 2004 in die CDU ein und wurde vier Jahre später in die Bürgerschaft der Hansestadt gewählt. Ende Juni 2008 wurde sie zudem stellvertretende Vorsitzende des CDU-Landesverbands Hamburg. Die Partei sei »wertebewusst und weltoffen« wie sie selbst, findet Özkan, und setze außerdem »nicht voraus, dass man als Mitglied Christ sein muss«. Allzu säkulare, also weltoffene Forderungen sind dort allerdings auch nicht erwünscht, wie sie selbst erfahren musste.
Ihre Forderung nach einem Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen traf in der CDU zwar noch auf Zustimmung. Als sie dann jedoch auch eine Entfernung der Kruzifixe aus den Klassenzimmern befürwortete, weil Schulen ein »neutraler Ort« sein müssten, hagelte es Kritik aus den eigenen Reihen: »Abwegig« und »erschreckend« fand man Özkans Vorschlag; die 38jährige müsse sich fragen, ob sie »in einer christlichen Partei an der richtigen Stelle« sei. Die »Schüler-Union« war sogar der Ansicht, Özkan dürfe gar nicht erst vereidigt werden. Die Angegriffene nahm ihr Anliegen schließlich zurück und entschuldigte sich vor der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion. Manche Dinge, so scheint es, sind immer noch undenkbar.