Berlin gegen Nazis

Missverständnis. »Thierse ist zu weit gegangen«, glaubte Die Welt das Verhalten eines alten Mannes am 1. Mai tadeln zu müssen. Dabei hatte der genau das Gegenteil getan, als er sich um halb vier auf der Bornholmer Straße im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg niederließ, just auf dem Weg, den ein Haufen Neonazis nehmen wollte. Aber auch die Zuschauer erlagen möglicherweise einem Irrtum, als sie »Thierse, blockier se!« riefen. Vielleicht war der Rentner vom Laufen müde geworden und hatte daher dort Platz genommen, nicht ohne sich zuvor ein Plakat mit der Parole »Berlin gegen Nazis« unter den Hintern zu schieben. Vielleicht war er schwerhörig und hatte den Einsatzleiter der Polizei nicht verstanden, der ihn fünf Mal aufforderte, die Fahrbahn zu verlassen, bevor zwei Polizeibeamte ihm höflich wieder aufhalfen. Wie es wirklich war, werden wir wohl erst erfahren, wenn es zu einem Prozess ­gegen den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) wegen Nötigung kommen sollte.