Eat with the rich, downgrade the poor

Ein Unternehmen Poor Standard zu nennen, wäre wohl abträglich für den Geschäftserfolg. Umgekehrt geht es aber, Standard & Poor’s ist sehr erfolgreich. Die Firmengeschichte beginnt mit Henry Varnum Poor, der 1860 ein Buch über die US-Eisenbahngesellschaften und ihre Profitabilität veröffentlichte. Im Jahr 2008 erstellte Standard & Poor’s mehr als eine Million ratings über Kredite in einer Gesamthöhe von 32 Billionen Dollar. Selbst wenn man davon ausgeht, dass alle 6 300 Angestellten sich mit den ratings befassen, hat jeder von ihnen im Durchschnitt etwa zwei Tage Zeit, um die Bonität einer Firma oder eines Staates zu beurteilen. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass der Standard bei den Prüfungen nicht allzu hoch sein kann.
Standard & Poor’s sowie Moody’s und Fitch Ratings, die beiden anderen großen Agenturen, vertreten die Ansicht, dass rating nichts mit raten zu tun hat. Sie präsentieren eine gewaltige Menge an Daten, Statistiken und Schaubildern, die den Eindruck vermitteln sollen, es werde wissenschaftlich gearbeitet. In gewisser Weise stimmt das sogar, sofern man der bürgerlichen Ökonomie den Status einer Wissenschaft zuerkennen will. So großzügig kann man sein, schließlich ist auch die Theologie eine Wissenschaft. Sie hat mit der bürgerlichen Ökonomie unter anderem gemein, dass sie auf falschen Voraussetzungen beruht, an bizarren Dogmen festhält und sich dubioser Methoden bedient. Von ihren Adepten sind daher keine zuverlässigen Vorhersagen für die Zukunft zu erwarten. Doch während Theologen gerne voreilig den Weltuntergang prophezeien, bemerken die Ökonomen eine Katastrophe erst, wenn sie eingetreten ist, und selbst dann brauchen sie häufig noch etwas Zeit, um zu begreifen, was da geschieht. Wer hätte auch ahnen können, dass all die schönen Finanzderivate, die man mit AAA beurteilt hatte, auf einmal nichts mehr wert sein sollten?
Den Rating-Agenturen wird oft vorgeworfen, sie pflegten einen zu engen Umgang mit Managern der Unternehmen, deren Bonität sie prüfen sollen und von denen sie so großzügig bezahlt werden, dass für Standard & Poor’s im vorigen Jahr 2,61 Milliarden Dollar Gewinn übrig blieben. Doch wären die Griechen wohl nicht besser weggekommen, wenn ihr Premierminister Giorgos Papandreou die Prüfer öfter zum Essen eingeladen und ihnen ein paar Briefumschläge zugesteckt hätte. Denn das Rating ist keine Gefälligkeit. Wenn das Desaster sogar für einen homo oeconomicus unübersehbar geworden ist, wird man sehr schnell vom Schuldner der AAA-Klasse zum Bankrotteur mit junk bonds. Das kann sogar den Prüfern selbst passieren. Im Jahr 1930 musste Poor’s Publishing, die Vorgängerfirma von Standard & Poor’s, Bankrott anmelden.