Über den gescheiterten Attentäter vom Times Square

Die Stunde des Dilettanten

Faisal Shahzad, der am Times Square eine Bombe zu legen versuchte, hatte offenbar Kontakte zu den pakistanischen Taliban.

Eine »herausfordernde« Umgebung suchte der »leistungsfähige, ergebnisorientierte« Bewerber in seinem Lebenslauf, der seine »analytischen, verbalen und kommunikativen Fähigkeiten« pries. Im vorigen Jahr wurde Faisal Shahzad Staatsbürger der USA, und der Finanzanalytiker scheint sich damals eher für seine Karriere als für den Jihad interessiert zu haben. Doch im September wurde sein Haus zwangsversteigert. Er reiste nach Pakistan, bald nach seiner Rückkehr im Februar begann er mit den Vorbereitungen für den Bombenanschlag am Times Square.Wenn Shah-zad tatsächlich in einem Ausbildungslager der Taliban war, wie die US-Ermittler nun vermuten, hat er beim Kurs über das Bombenbauen offenbar nicht aufgepasst. Er verwendete Feuerwerkskörper, die nur sehr geringe Mengen an Schwarzpulver enthalten, und nicht explosiven Dünger. Zudem vergaß er am Times Square die Schlüssel für seinen Fluchtwagen. Immerhin hatte er an das Kleingeld für die Parkuhr gedacht.
In mancherlei Hinsicht entspricht Shahzads Pro­fil dem anderer jihadistischer Attentäter im Westen (Jungle World, 31/07). Er ist Akademiker, relativ jung und verheiratet. »Als sie sich dem Jihad anschlossen, waren die Terroristen nicht sehr religiös«, stellte Psychiater Marc Sageman fest. Auch Shahzad scheint sich schnell in einen Jihadisten verwandelt zu haben.
Es gibt aber auch Ähnlichkeiten zu Attentätern aus dem christlichen Milieu. Die Jihadisten im Westen hätten in der Regel ihre Karriere fortsetzen können. Shahzad hingegen gehört zu den Amerikanern, die in der Krise ihre Arbeit, ihr Haus und ihre Ersparnisse verloren haben. Die Ermittler gehen auch davon aus, dass er, wie die lone wolves aus dem Umfeld rechtsextremer Milizen, keine Komplizen in den USA hatte. Dass sich bislang nur sehr wenige amerikanische Muslime jihadistischen Gruppen anschlossen, wird vor allem auf die bessere Integration der Migranten zurückgeführt. Während bislang vornehmlich narzisstische Soziopathen rekrutiert wurden, könnten in Zukunft auch Männer für die jihadistische Ideologie empfänglich sein, die den Anschluss an den »American Way of Life« verloren haben.
Das Ziel Shahzads war es offenbar, an einem Ort, der die US-Unterhaltungskultur symbolisiert, möglichst viele Amerikaner zu töten. Das ursprünglich als Prahlerei gewertete Bekennervideo der Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) hat nun an Glaubwürdigkeit gewonnen. Zumindest hat Shah­zad den Ermittlern zufolge das Herrschaftsgebiet der TTP in Waziristan besucht.
Die bisherige Arbeitsteilung, in der al-Qaida für den globalen Jihad zuständig war, scheint aufgehoben worden zu sein. Der Grund dafür könnte die anhaltende Unfähigkeit von al-Qaida sein, Anschläge zu organisieren. In den vergangenen Monaten hatten bereits somalische und jemenitische Gruppen versucht, Ussama bin Laden Konkurrenz zu machen. Wenn auch die TTP diesem Trend folgt, käme das besonders ungelegen. Denn sie arbeitet eng mit den afghanischen Taliban zusammen, die Präsident Hamid Karzai derzeit im Auftrag der »internationalen Gemeinschaft« zu reintegrieren versucht. Die Stümperei am Times Square mag man den Taliban noch verzeihen, doch nach einem gelungenen Anschlag dürfte es Präsident Barack Obama schwerfallen, die geplante Amnestierung und Besoldung »gemäßigter« Jihadisten zu rechtfertigen.