Ermordung von Menschenrechtlern in Oaxaca

Wahlkampf mit dem Maschinengewehr

Bei einem Überfall von Paramilitärs wurden in Oaxaca zwei Menschenrechtler getötet. Die Partei Pri will mit allen Mitteln ihre Herrschaft über den mexikanischen Bundesstaat sichern.

Bei der Einfahrt in die Gemeinde La Sabana geriet der Konvoi der Menschenrechtler aus Mexiko, Deutschland, Italien und Belgien in einen Hinterhalt. Zwei Menschen wurden dabei mit Kopf­schüssen getötet, die meisten der 27 anderen wurden verletzt. Der Überfall von Paramilitärs auf die internationale Friedens­karawane im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca fand am 27. April statt. Die Polizei kam erst einen Tag später zum Tatort, um die Leichen zu bergen. Zwei Tage nach dem Angriff wurden endlich die beiden zurück­gebliebenen mexikanischen Journalisten David Cilia und Erika Ramírez von der Zeitschrift Contralinea aus der von den Paramilitärs kontrollierten Zone evakuiert.
Bei den Getöteten handelt es sich um Alberta »Bety« Cariño vom Kooperativen Zentrum für kommunale Hilfe (Cactus), die Mitbegründerin des Netzwerks indigener Gemeinderadios im Südosten Mexikos, und um Jyri Jaakkola aus Finnland, der bereits seit Jahren in der Solidaritätsarbeit mit zapatistischen Gemeinden in Chiapas engagiert war. Der Tod Jyri Jaakkolas zeigt, dass das Konzept, mit der Präsenz internationaler Beobachter die lokale Bevölkerung und mexikanische Aktivisten zu schützen, keine Sicherheit vor Angriffen garantiert.

Die Friedenskarawane sollte Lebensmittel und Wasser in die ehemals autonome Gemeinde San Juan Copala bringen sowie die Lehrer der örtlichen Schule zurück in das Dorf geleiten. Anfang des Jahres wurde San Juan Copala von der paramilitärischen Union für sozialen Wohlstand der Triqui-Region (Ubisort) besetzt, die seitdem die Strom- und Wasser­versorgung gekappt hat und den Zugang zum Dorf kontrolliert. Die Paramilitärs stehen der Partei der Institutionalisierten Revolution (Pri) nahe, die Mexiko jahrzehntelang regiert hat. Am Abend vor der Abfahrt des Konvois hatten die Paramilitärs öffentlich gedroht, niemanden ins Dorf zu lassen. Nach dem Maschinen­gewehrfeuer entführten sie Überlebende, verhörten sie und sprachen Todesdrohungen gegen weitere Aktivisten aus, so auch gegen den Ehemann der ermordeten Alberta Cariño.
Sie ist das 18. Todesopfer des Konflikts in der Mixteca-Region seit Anfang des Jahres. Ihr Tod ist ein weiterer Beleg für die Zunahme der Repression gegen Menschenrechtler in Mexiko, die im Januar auch von Amnesty International konstatiert wurde. Neben Chiapas ist auch Oaxaca ein Bundesstaat, in dem soziale Kämpfe seit Jahren militärisch und paramilitärisch unterdrückt werden. Mit dem vom rechtskonservativen Präsidenten Felipe Calderón ausgerufenen »Krieg gegen die Drogen« werden Einschränkungen der Grundrechte und Menschenrechtsverletzungen legitimiert, die Gewalt wird zum Normalzustand.
Oaxaca wird seit 80 Jahren vom Pri regiert, der seine Macht in dem Bundesstaat auch erhalten konnte, nachdem er aus der Zentralregierung verdrängt worden war. Seit dem Jahr 2004 herrscht Gouverneur Ulises Ruíz, der sein Amt Wahlmanipulationen verdankt. Zwei Jahre nach seiner Amtsübernahme eskalierten die sozialen Konflikte, es kam zu heftigen Auseinandersetzungen der Versammlung der Völker Oaxacas (Appo) mit Polizisten und Paramilitärs in Oaxaca-Stadt.

Repressive Maßnahmen sollen die sozialen Bewegungen einschüchtern. Die nordwestlich der Landeshauptstadt gelegene Mixteca-Region gilt als eine der ärmsten des ganzen Landes. Hier sind es vor allem lokale Kaziken, die von der Pri-Regierung unterstützt werden und mit paramilitärischen Verbänden gegen Autonomiebestrebungen der indigenen Bevölkerung der Triquis vorgehen. Die Vereinte Volkspartei tritt dabei als vermeintliche Oppositionsgruppe auf, die schließlich auch die Unabhängigkeitsbewegung für die Befreiung der Triquis (Mult) unterwandern konnte. Diese wird von lokalen Aktivisten mittlerweile als paramilitärische Gruppe eingestuft. Von ihr spaltete sich im Jahr 2006 die Organisation Mult-Independiente ab, die sich mit der Appo sowie mit der »Anderen Kampagne« der Zapatisten assoziert sieht. Sie repräsentierte auch San Juan Copala, das sich 2007 neben 19 anderen Mixteca-Gemeinden für autonom erklärte.
Seit Ende vergangenen Jahres eskaliert die Gewalt in der Mixteca, die jüngsten Vorfälle reihen sich in dieses Schema ein. Der Grund dafür dürften die für Juli angesetzten Gouverneurswahlen in Oaxaca sein, am 2. Mai hat der Wahlkampf begonnen. Derzeit liegt Gabino Cué, der Kandidat des Oppositionsbündnisses, den Umfragen zufolge in Führung vor Eviel Pérez, der für den Pri antritt. Ein Klima der Angst, wie es nun verbreitet wird, könnte die Mehrheitsverhältnisse eventuell noch ändern. Dies scheint auf jeden Fall das Kalkül des Pri und der von ihm unterstützten Paramilitärs zu sein.