Verbindungsstudenten in Coburg

Im Biergalopp nach Coburg

Jedes Jahr zu Pfingsten findet der Kongress des Coburger Convents statt. Ein linkes Aktionsbündnis protestiert seit einigen Jahren gegen das Treffen der Verbindungsstudenten – auch in diesem Jahr.

Coburg liegt in einem bayerischen Regierungsbezirk, dessen einziges kulturelles Aushängeschild Thomas Gottschalk zu sein scheint. Vielleicht liegt es am Mangel kultureller Vielfalt, dass man in Oberfranken selbst den Besuch von Verbindungsstudenten für eine Bereicherung hält. Coburgs Bürgermeister Norbert Kastner (SPD) spricht immer zu Pfingsten vom Rathausbalkon zu ihnen, wenn sich der Coburger Convent (CC), ein Zusammenschluss von fast 100 Studentenverbindungen, zu seinem jährlichen Kongress versammelt. Tatsächlich fühlt man sich an Karnevalskultur erinnert, wenn man die bunt gekleideten Männer bei Tageslicht erblickt. Begegnet man den Herren jedoch in der Dunkelheit, mit Fackeln in den Händen und die Nationalhymne singend, begreift man, dass es sich um eine bierernste Veranstaltung handelt. Es ist nicht leicht, ein Milieu ernst zu nehmen, das »den Landesvater sticht«, indem mehrere bunte Mützchen auf einen Degen gespießt werden, und das sich eine eigene Zeitrechnung für Besäufnisse ausgedacht hat. Da der CC ein männerbündisches Prinzip am Leben hält und dieses aus einem elitären Anspruch heraus auf die gesamte Gesellschaft übertragen möchte, darf man die Aktivitäten der Korporierten aber nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Mitglieder des 1951 gegründeten Dachverbands sind alle »pflichtschlagende« Turner- und Landsmannschaften, die streng ritualisierte Fechtkämpfe austragen. »Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland« sind die Grundsätze des Verbandes, dessen Ehrbegriff eng mit dem Fechtkampf verknüpft ist. Wer wiederholt für seine Verbindung Blutopfer erbracht hat, darf sich der Gemeinschaft verbunden fühlen. Neue Kandidaten, »Füxe« genannt, werden in den Korporationen durch ein ritualisiertes Zwangssystem erzogen und stehen am unteren Ende der internen Hierarchie. Sogar beim Trinken befolgt man den »Biercomment«, der den Ablauf von Trinkgelagen regelt, selbst, wann man dabei auf die Toilette gehen darf. Zeremonien wie der »Biergalopp« klingen harmlos, dienen aber dem Zweck, die Individualität in der Gemeinschaft aufzulösen. Wurden die Regeln internalisiert, wird man nach bestandener Fuxenzeit zum Burschen. »Alter Herr« nennt sich schließlich, wer das Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Dabei verlangt die landsmannschaftliche Freundschaft »die Aufgabe der Angewohnheit, alles nur vom eigenen Ich her zu beziehen«, teilt der CC mit. Man bekennt sich zudem zur »geschichtlichen und geistigen Gemeinschaft der Deutschen«. Zum deutschen Kulturraum zählt hier auch Österreich. Ein System, das im Innern von Befehl und Gehorsam geprägt ist und die Einheit von Individuum und Kollektiv betont, besitzt zweifellos Anknüpfungspunkte zum deutschen Nationalismus und Soldatentum. Die Liste der CC-Mitglieder, die sich im Grenzbereich zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus bewegen, ist dementsprechend lang. Zu den bekanntesten Beispielen zählt Günther Oettinger, der frühere Ministerpräsident Baden-Württembergs und ehemals Mitglied des Studienzentrums Weikersheim, das als Think Tank eine Scharnierfunktion zwischen der »Neuen Rechten« und dem Konservatismus einnimmt. Die ideologischen Schnittmengen zwischen den völkischen Rechten und dem CC kritisiert auch ein linkes Aktionsbündnis, das zu mehreren Gegenveranstaltungen mobilisiert. In seinem Aufruf brandmarkt es den CC als sexistisch, völkisch und elitär. Die Reformen des Convents, beispielsweise die Aufnahme nicht-österreichischer Ausländer seit 1995, dienten lediglich dazu, die tatsächlichen Ansinnen des CC zu verschleiern, argumentiert das Aktionsbündnis. Indessen fürchten Politiker und die Coburger Neue Presse, dass am Pfingstwochenende »Demo-Touristen aus Berlin« erneut die Kleinstadt durchkreuzen. Wie in den Jahren zuvor soll deshalb ein massives Polizeiaufgebot dafür sorgen, dass die Korporierten in Ruhe »den Landesvater stechen« können.