Paul Shambira erklärt im Gespräch, wie sich südafrikanische Straßenverkäufer auf die WM vorbereiten

»Es geht einfach darum, wer das Geld macht«

Die Initiative Streetnet hat sich zum Ziel gesetzt, Straßenverkäufer zu organisieren. Sie möchte dafür sorgen, dass auch diejenigen, die in der informellen Ökonomie Südafrikas arbeiten, von den Verdienstmöglichkeiten der WM profitieren können. Die Jungle World sprach mit Paul Shambira, einem der Sprecher der Initiative.

Ist es schwer, Straßenhändler zu organisieren?
Wir haben versucht, sie dazu zu bringen, ihre Rechte wahrzunehmen. Wir wollten die offziellen Stellen dazu bringen, dass ihnen der Verkauf in den Stadien erlaubt wird. Wir haben mit den kommunalen Verwaltungen verhandelt, aber wir konnten bis jetzt nur erreichen, dass die Straßenverkäufer in vier Städten ihre Waren auf den Parkplätzen anbieten dürfen, auf denen die Zuschauer ihre Autos parken. Innerhalb der Stadien dürfen nur Fastfood-Ketten wie McDonald’s verkaufen. Die Straßenhändler müssen dagegen auf den Parkplätzen stehen und einen Mindestabstand von 800 Metern zu den Stadien einhalten.
Ist die Sache damit beendet?
Wir geben nicht auf. Wir haben heute wieder Verhandlungen mit den offiziellen Stellen.
Wer entscheidet über diese Ausschlusszonen?
Die kommunalen Verwaltungen haben dieses Gesetz auf Druck der Fifa erlassen. Deshalb nennen wir sie die »Fifa-Gesetze«.
Warum will die Fifa diese Auschlusszonen?
Es ist einfach eine Abmachung zwischen den kommunalen Verwaltungen und der Fifa, von der die großen Fastfood-Konzerne profitieren. Sie sagen, diese und jene haben das Recht, dies und das zu verkaufen. Es geht einfach darum, wer das Geld machen darf. Mehr ist da eigentlich nicht.
Was verdient denn ein Straßenverkäufer?
Ach, sehr wenig, zwischen 200 und 300 Rand (umgerechnet etwa 20 bis 30 Euro) am Tag. Es gibt Versuche der Kommunalverwaltung, die Si­tuation der Straßenverkäufer zu verbessern, indem man ihnen Mikrokredite gibt, um ihre finanzielle Ausgangsposition zu verbessern.
Wie viele Menschen sind in Südafrika in dieser Form des informellen Sektors beschäftigt?
Ich denke, auf eine größere Stadt wie Kapstadt kommen ungefähr 10 000 Straßenverkäufer.
Glauben Sie, dass die Weltmeisterschaft eine Chance bietet, die Situation der Armen in Südafrika zu verbessern?
Diese Weltmeisterschaft bringt den Armen nichts. Im Gegenteil, sie hat ihnen geschadet. Wenn man sich anschaut, wie viel Geld schon in dieses Ereignis geflossen ist, kann man sagen, dass davon in den unteren Schichten der Gesellschaft nichts angekommen ist. Abgesehen vom Stadionbau hat die WM wenige Jobs geschaffen. Und die Jobs auf dem Bau sind eine einmalige Sache. Da bleibt anschließend niemand beschäftigt.
Ihre Organisation will sich international für Straßenhändler einsetzen. Wie sieht es mit internationaler Zusammenarbeit aus?
Wir haben angefangen, unsere Arbeit auf den afrikanischen Kontinent und auf Lateinamerika auszuweiten – auch mit Blick auf zukünftige Fußballweltmeisterschaften. Wir haben die Kampagne daher auch nach Brasilien gebracht. Unsere Kampagne heißt »Weltstädte für alle«. Wir sind der Meinung, dass die Armen aus solchen Großereignissen systematisch ausgegrenzt werden, obwohl eigentlich damit geworben wird, dass Fußball hier die Welt zusammenbringt. Wir wollen darauf aufmerksam machen, unter was für ungleichen Bedingungen diese Ereignisse stattfinden, und die demokratische Teilhabe der Armen einfordern. Alle sollen etwas davon haben, und das nicht nur hier in Südafrika, sondern überall auf der Welt, auch in Brasilien, wo die Situation in vieler Hinsicht ähnlich ist wie hier.
Bekommt Ihre Kampagne politische Unterstützung von anderen Organisationen?
Wir sind offen für Zusammenarbeit mit allen möglichen politischen Parteien, aber normalerweise arbeiten wir mit den Gewerkschaften und Gruppen aus den sozialen Bewegungen. Die Gewerkschaften unterstützen uns, insbesondere die größte südafrikanische Gewerkschaft, Cosatu.
Cosatu ist seit dem Kampf gegen die Apartheid eng mit dem ANC verbunden und seit dem Ende der Apartheid durch eine Koalition mit dem ANC an der Regierung beteiligt. Wie bewerten Sie die Rolle der Regierung?
Es ist sehr wichtig, Druck auf die Regierung auszuüben, um sicherzustellen, dass sie die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertritt. Darum geht es auch bei unserem Kampf für die Interessen der Straßenverkäufer.