Pazifisten sind nachtragend

Katharina Schneider* kann es immer noch nicht glauben. Sie hat vor über einem Jahr die Kneipe des soziokulturellen Zentrums »Ludwigstraße 37« in Halle gepachtet. Nun soll ihr plötzlich der Vertrag gekündigt werden. Die »Ludwigstraße« unterscheidet sich kaum von anderen linken Hausprojekten, die aus den Besetzungen der frühen neunziger Jahre hervorgegangen sind. Auf dem Dach kündet eine verschlissene Antifa-Fahne vom Kampf vergangener Tage. Ansonsten haben es sich die Bewohner in ihren sanierten Zimmern gemütlich gemacht. Im Vorderhaus ist ein Bioladen untergebracht, im obligatorischen Infoladen residiert eine Flüchtlingsinitiative. Seit Anfang des Jahres beherbergt das Haus darüber hinaus den Gebetsraum einer Gruppe von Zen-Buddhisten.
Nur die »Antideutschen« mag man nicht besonders. Als eine Hallenser Antifa-Gruppe aus Anlass des 8. Mai eine Party im Haus veranstalten wollte, legte die Hausversammlung ihr Veto ein. »Das Konzept der Antifa war militärverherrlichend und chauvinistisch«, sagt Eddy, einer der Hausbewohner. Als die Gruppe daraufhin im Haus eine Diskussionsveranstaltung über Antimilitarismus und Pazifismus nach Auschwitz organisieren wollte, war die Hausversammlung zunächst einverstanden, obwohl der provokante Titel »Pazifisten sind Mörder« nicht gerade auf Begeisterung stieß. Vier Tage vor der Veranstaltung kam dann unvermittelt die Absage: »Der Vortrag wird nicht in unserem Veranstaltungsraum stattfinden.« Katharina Schneider stellte daraufhin ersatzweise ihre Kneipe zur Verfügung. Nun soll deshalb auf der nächsten Hausversammlung die Kündigung ihres Pachtvertrags beantragt werden, womöglich muss sie sich dann nach einer neuen Existenzgrundlage umsehen. Abweichendes Verhalten passt anscheinend nicht zu den »konkreten Utopien für eine herrschaftsfreie Gesellschaft«, die demnächst bei einem Seminar in der »Ludwigstraße« diskutiert werden sollen.
* Name geändert