Die wahre Flaschenpost

Sehr geehrter Robert Müller, in der Presseinformation Ihres Unternehmens Flaschenlabel.de, die Sie uns haben zukommen lassen, fragen Sie, ob es möglich sei, »ein ganz persönliches Geschenk zu kreieren und zu verschenken«, und geben selbst die Antwort: »Das System ist kinderleicht«. Drei Schritte nur trennen uns nämlich von der Erfüllung unseres Wunsches nach einem »eigenen Flaschen­etikett mit oder ohne Getränk«, bei denen uns Ihr im Mai gegründetes junges »Internet Startup« mittels eines »Etikettenstudios« helfen möchte – das »Hochladen« von »eigenen Bildern«, das »Verschieben«, »Vergrößern« und »Verkleinern« von »Grußworten« sowie die Wahl von »Schriftarten, Schriftfarben und Etikettenvorlagen«: »Eine Überraschung für den Beschenkten ist garantiert!« Dass Sie auf diesen »beherzten Gründergedanken« erst »nach wochenlangem Überlegen« verfallen sind, ihn bislang nur an »Verwandten, Freunden und Bekannten« ausprobiert haben und »nebenbei« auch noch Ihr »Studium finanzieren« müssen, entschuldigt Sie teilweise, aber nicht ganz. Denn trotz jahrelanger Existenzgründererfahrung können wir uns die Frage nicht verkneifen, wie jemand psychisch strukturiert sein muss, der ein System benötigt, um Geschenke zu verschenken, der Überraschungsgarantien mit verschobenen und verkleinerten Grußworten verteilt und für den ein Rotwein kein Getränk mit oder ohne Etikett, sondern ein Etikett mit oder ohne Getränk ist. Dass es kein richtiges Leben in Flaschen gibt, erst recht nicht nach Maßgabe eines Systems, dass die Menschen das Schenken längst verlernt haben und die wahre Flaschenpost keinen Adressaten hat, davon fangen wir gar nicht erst an. Wir belassen es bei dem Hinweis, dass Ihr Gründergedanke uns wenig erfolgversprechend erscheint, weil in Deutschland ohnehin jeder Bürger einen Pass und jede Flasche ein Etikett besitzt. Dass es trotzdem weiterhin an jeder Etikette mangelt, daran werden auch Sie nichts ändern können. Beste Grüße, Ihre Jungle World.