Sei ein Mann, trink »Muschibier«

Berlin Beatet Bestes. Folge 51. Omega Jazzband: Lass den Teufel in der Flasche (1976)

Gelegentlich trinke ich ganz gern ein Bier. Vor allem jetzt beim gemeinsamen WM-Gucken. Am liebsten trinke ich dieses neue Quatschbier für Nicht-Biertrinker: Grapefruit und Bier zusammengemixt. Meine Freundin nennt es »Muschibier«. Davon vertrage ich aber auch nicht viel, weil ich seit Jahren nicht mehr saufe. Zuhause trinken wir nämlich nie Alkohol. Das war nicht immer so.
Mitte der neunziger Jahre hatte ich eine richtige Kneipenphase. Auf St. Pauli gibt es Hunderte von Kneipen, und ich war regelmäßiger Gast. Zwar habe ich damals immer nur Weißweinschorle getrunken, die aber literweise. Einen sogenannten Filmriss hatte ich trotzdem noch nie, aber doch gelegentlich einen schlimmen Kater. Zum Glück habe ich dann meine Freundin kennengelernt. Die trinkt sehr wenig Alkohol, und somit ist das bei mir auch kein Thema mehr. Es gibt aber noch weitere Gründe, warum Alkohol bei mir nie eine große Rolle gespielt hat. Zum einen braucht man zum Zeichnen eine ruhige Hand. Den Tag nach der Sauferei kann ich fürs Zeichnen vergessen, also verliere ich unnötig Zeit durchs Trinken.
Richtig schlimm war es, einmal volltrunken vom Vorabend auf eine Signierstunde gehen zu müssen. Mein zeichnischeres Versagen bei diesem Termin war mir so peinlich, dass ich schwor, mir würde so etwas niemals wieder ­passieren.
In den achtziger Jahren war ich ein paar Jahre Straight Edge. Als Teenager war ich noch stolz darauf gewesen, meinen Vater bei Familienfesten unter den Tisch trinken zu können. Er trank nur selten, während ich damals alkoholmäßig gut trainiert war. Abrupt hörte ich dann 1985 auf zu trinken, inspiriert von Bands wie Minor Threat und Seven Seconds, die in ihren Texten klar gegen die Selbstzerstörung in der Punkszene Position bezogen. Meine Abstinenz hielt zwar nicht sehr lange an, aber ich konnte auf diese Erfahrung später immer wieder zurückgreifen.
Ebenfalls eindeutig Position bezieht die Platte, die ich diesmal vorstellen möchte, eine Straight Edge-Hymne der Omega Jazzband:

»Man haut dich an, Mensch sei ein Mann, trink’ ein Bier, ein Gläschen Wein, kipp’ auch mal ’nen Schnaps hinein. Erst ist’s ein Glas, dann brauchst du zwei und schon beginnt die Sauferei.«
Leider machen der begleitende Oldtime Jazz und der Auftraggeber den Song nicht sehr glaubwürdig. Die Platte ist eine Werbeplatte zur Unterstützung der »Aktion für junge Leute« des Ber­liner Senats für Gesundheit und Umweltschutz. Politiker und Mucker sind bekanntermaßen große Trinker. Trotzdem irgendwie süß, dieser Versuch, die Jugend der siebziger Jahre vom Alkohol wegzubekommen. Der Straight Edge-Bewegung gelang das dann in den achtziger Jahren, zumindest in der Punkszene, tatsächlich. Bis heute ist sie eine wichtige Stimme gegen die stumpfe Sauferei in der Szene. Gelegentlich ein leckeres Grapefruitbier zu trinken, ist aber nicht schädlich.