Superman lebt koscher. Die Comic-Ausstellung »Helden, Freaks und Superrabbis«

Superman lebt koscher

Die Ausstellung »Helden, Freaks und Superrabbis« im Berliner Jüdischen Museum widmet sich der Bedeutung jüdischer Comiczeichner im 20. Jahrhundert.

Die Namen der jüdischen Comic-zeichner, um die es in der Ausstellung »Helden, Freaks und Super­rabbis« geht, lesen sich wie ein Who is who der Comicindustrie des sogenannten »Golden Age«. Der Begriff bezieht sich auf die Comics der Zeit von 1938 bis 1952, als Comichefte erstmals ihre eigene Bildsprache entwickelten und begannen, sich als eigenständigeres Medium von den Zeitungsstrips abzugrenzen.
Im Februar 1934 brachte beispielsweise Max Gaines (eigentlich Maxwell Charles Ginzberg), der vorher unter anderem versucht hatte, bemalte Krawatten mit dem Anti-Prohibitions Slogan »We Want Beer« zu verkaufen, das erste monatlich am Kiosk erscheinende Comicheft heraus. Zunächst bestand der Inhalt von »Famous Funnies« nur aus zuvor in Tageszeitungen gedruckten Comicstrips, bald aber entstanden die ersten eigens für das Heftformat gezeichneten Geschichten. Die sich daraufhin entwickelnde Comicindustrie wurde zu einer der wenigen kommerziellen Erfolgsgeschichten der Depressionszeit. Im März 1938 vermittelte wiederum Max Gaines den Comicstrip zweier jüdischer jugendlicher Fantasyfans, Jerry (Jerome) Siegel und Joe (Joseph) Shuster, an den Comic-Verlag DC. Als Erfinder von Superman sollten die beiden Geschichte schreiben. Der Erfolg des Superhelden versetzte die gesamte Industrie in Aufregung und brachte eine Flut weiterer Comicfiguren mit Superkräften hervor, die erst mit dem Ende des 2. Weltkriegs abebbte.
Ein etwas anderer, immer leicht abgerissen erscheinender Superheld ist der von Will Eisner erfundene Spirit. Eisner, einer der wenigen jüdischen Comiczeichner, die ihren jüdischen Namen nicht aus Assimilationsgründen änderten, leitete ab 1936 zusammen mit Jerry Iger das Eisner & Iger Studio, in dem er mit einem kleinen Team Comics für verschiedene Publikationen herstellte. In seinem Umfeld sammelten viele später berühmte Comiczeichner, wie die Mad-Zeichner Al (Abraham) Jaffee, Dave Berg und Jules Feiffer, der spätere Superstar des Marvel-Comic-Verlags, Jack Kirby (Jacob Kurtzberg), sowie der Zeichner von Superman, Joe Kubert, erste Erfahrungen. Die von Eisner ab 1940 produzierte 16seitige Zeitungsbeilage »The Spirit« wurde mit Auflagen von bis zu fünf Millionen ein Hit und lief bis 1952.
Der Umstand, dass so viele jüdische Zeichner im Medium Comic so erfolgreich wurden, hatte sicher mit der Tatsache zu tun, dass ihnen damals die Türen zu lukrativeren Zeitungsstrips und Illustrationsjobs verschlossen waren. Antisemitische Diskriminierung war in den von weißen, protestantischen Amerikanern geführten Werbeagenturen und bei den Art-Direktoren der wichtigsten Magazine unausgesprochen Teil der Firmenpolitik.
Als der Jude Bill Gaines 1948 den Verlag EC von seinem Vater übernahm, begann er, den Vorteil des Mediums Comic, Action ohne ein großes Budget – wie etwa im Film – abbilden zu können, voll auszubeuten. Die Horror-, Crime- und Fantasycomics von EC waren zwar aufklärend gemeint – EC stand immerhin für »Educational Comics« –, aber in ihrer grafischen Sprengkraft waren sie radikal. Eine Fülle von Imitatoren drängte daraufhin auf den Markt. Aufgeschreckt von dem Psychologen Frederic Wertham, liefen Eltern gegen den »Schmutz« von EC Sturm und zettelten öffentliche Comicheftverbrennungen an. Die Anhörungen vor dem Komitee zur Untersuchung jugendlicher Kriminalität im April 1954 führten zur Einführung des »Comic Code«. Dieser verbot praktisch alle Darstellungen von Vampiren, Zombies und Werwölfen und auch Worte wie »Crime«, »Horror«, »Terror« und »Weird« in Titeln von Comicheften. 1955 verlegte EC schließlich nur noch Mad. Die Sprengkraft, die Mad als Satireheft daraufhin entwickelte, ist für die Popkultur bis heute von Bedeutung.
Die Ausstellung »Helden, Freaks und Super­rabbis« zeigt aber auch viele Beispiele jüdischer Comics der jüngeren Vergangenheit. Die feministischen Undergroundhefte von Diane Noomin aus den frühen siebziger Jahren beispielsweise, oder die erste Ausgabe von »American Splendor« (1976), mit der Harvey Pekar den autobiogra­fischer Comic erfand. Natürlich sieht man Ausgaben von Art Spiegelmans wegweisendem Comicmagazin Raw und seinen Klassiker »Maus«, Ben Katchors »Der Jude von New York« und Comics des 1995 gegründeten israelischen Autorenkollektivs Actus Tragicus.
Leider sind nur wenige der ausgestellten Stücke Originalseiten, was ein bisschen enttäuschend ist. Undenkbar, dass zum Beispiel eine Picasso-Ausstellung überwiegend mit Reproduktionen bestückt würde. Die Größe des Originals, die Textur des Papiers, die Strichführung und selbst, ob und wie mit Deckweiß korrigiert wurde, sind schließlich wichtige Details, die das handwerkliche Können und die Meisterschaft vieler Zeichner erst deutlich machen. Zu den Highlights der Ausstellung zählen deshalb unbedingt die sieben Originalseiten von Bill Elder (eigentlich Wolf William Eisenberg) aus Panic Nr. 2, ­einem kurzlebigen Schwesterheft von Mad, aus dem Jahr 1954. Diese Seiten des Meisters des Pinsels und der verrückten Details zu studieren, ist eine wahre Freude. Außerdem kann man entdecken, dass die Zeichner auf speziell für den EC-Verlag produziertem Zeichenkarton arbeiteten.

Helden, Freaks und Superrabbis.
Jüdisches Museum, Berlin.
Bis 8. August 2010