Homo-Ehe im Amt

»Endlich verheiratet«, wird sich Jóhanna Sigurdardóttir letzte Woche gedacht haben. Dass sich die isländische Ministerpräsidentin »traute«, ist zunächst wenig spektakulär. Erst bei Betrachtung ihrer besseren Hälfte fällt das Novum auf. Denn Sigurdardóttir heiratete ihre langjährige Lebensgefährtin. Damit ist sie die erste Regierungschefin der Welt, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingeht. Ermöglicht wurde die Heirat zwischen Sigurdardóttir und Jónina Leósdóttir durch die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Ehe zwischen homosexuellen Paaren in Island erlaubt. Einen Tag nach Inkrafttreten ließen die Isländerinnen ihre seit 2002 bestehende eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln.
Für Sigurdardóttir war dies nicht die erste Eheschließung. Sie war bereits in den siebziger Jahren einmal verheiratet. Aus der Beziehung mit ihrem damaligen Mann gingen zwei Söhne hervor. Überhaupt ist die Biografie der amtierenden Premierministerin Islands beachtlich. Geboren in Reykjavík, studierte Sigurdardóttir Ökonomie und arbeitete anschließend als Flugbegleiterin. In dieser Zeit begann sich die heute 67jährige als Gewerkschafterin zu engagieren. Aufgrund der 1970 einsetzenden wirtschaftlichen Öffnung Islands zum Freihandel und der damit verbundenen Zunahme von Arbeitskämpfen entschloss sie sich, Berufspolitikerin zu werden. So sitzt Sigurdardóttir seit 1978 im isländischen Parlament »Althingi« für den Wahlkreis ihrer Heimatstadt.
In den achtziger Jahren übernahm sie erstmals als Ministerin für Soziales Regierungsverantwortung, verließ die Regierung und die Sozialdemokratische Partei jedoch 1994, um das linkspopulistische National Movement zu gründen. Nachdem dieses in der Sozialdemokratischen Allianz aufging, setzte Sigurdardóttir ihren Aufstieg in der isländischen Politik fort. Im Februar 2009 übernahm sie als erste Frau den Posten des Ministerpräsidenten, nachdem die Regierung unter dem Konservativen Geir Haarde an der Wirtschaftskrise zerbrochen war. Schon damals wurde Sigurdardóttirs Homosexualität im In- und Ausland thematisiert. Ihre Bestätigung als Premierministerin bei den Wahlen im April vorigen Jahres wird als Zeichen isländischer Toleranz gewertet. Das gilt aber keineswegs überall. So bezeichnete die Sprecherin der ugandischen Regierungspartei NRA, Mary Karooro Okurutu, die Hochzeit kurzerhand als »ekelerregend«.