Lock’n’Loll!

Berlin Beatet Bestes, Folge 53. The Highlights: Ah, So (1958)

Einer der schönen Nebeneffekte des Bloggens ist, dass ich tatsächlich gelegentlich von Leuten kontaktiert werde, die an der Musik beteiligt waren, die ich poste. Vorige Woche meldete sich zum Beispiel Gary Bailey, der Gitarrist der Highlights. Er schrieb, die Gruppe komme, entgegen meiner Annahme, nicht aus Minneapolis, sondern stamme aus Minnesota. Außerdem bot er an, mir ein Poster seiner Gruppe zu schicken, damit ich es zu dem Artikel stellen könne. Um nicht zu gierig zu erscheinen, lehnte ich sein Angebot ab, bat aber um einen Scan und fragte, ob er vielleicht noch ein Foto seiner Band habe. Ein paar Tage später schickte mir Gary dann zwei hochauflösende Scans und weitere Informationen über die Highlights.
Der Song »Ah, So« wurde von Tim Warren, dem Gründer von Crypt-Records und Guru aller Garage-Punk-Plattensammler, in den Neunzigern auf dem ersten Teil der Compilation »Jungle Exotica« veröffentlicht. Wie viele andere Songs aus dem obskuren Punksektor wurde »Ah, So« damit erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ursprünglich auf dem winzigen Label Play veröffentlicht, ist es ein für die späten fünfziger Jahre typischer, instrumentaler Rock’n’Roll-Novelty-Song. Typisch für Novelty-Songs war die »neue« Kombination von in den instrumentalen Song eingefügten Textphrasen, Geräuschen und schierem Unsinn. Die Bandbreite reichte von Katzenmiauen oder Hundebellen bis zu dem schlichten Öffnen und Ausgießen einer Sektflasche. Am Anfang von »Ah, So« erklingt ein chinesischer Gong, dann hören wir eine mit einem falschen asiatischen Akzent rufende Stimme: »Ah, So! Very fine Chinese Rock’n’Roll! Ah … «, dann setzt auch schon die elektrische Gitarre ein, begleitet von einem spärlichen, aber effektiv treibenden Schlagzeug. In der Mitte ruft die Stimme nochmal: »Ah, So! Drummer Man! Oh … «, worauf das Schlagzeugsolo einsetzt, das mit dem chinesischen Gong abschließt. Der Song ist, nach über 50 Jahren, immer noch ein mitreißender Rocker.
Das rassistisch anmutende asiatische Klischee war in diesem Fall verbunden mit einem guten Wunsch. Als 1958, bei einer tschechischen Elektronik-Ausstellung in Peking, erstmals Rock’n’Roll zu hören war, gerieten chinesische Teenager so aus dem Häuschen, dass sie eine fünfzigminütige Rock’n’Roll Session abhielten, obwohl das verboten war. Die Kommunisten hatten alle Tanzhallen geschlossen, als man 1957 entdeckte, dass auf Schiffen aus Hongkong Rockplatten nach China geschmuggelt wurden. Minnesota war weit entfernt von China, und so phantasierten die Highlights sich ihren chinesischen Rock’n’Roll eben zusammen. 1991 coverte die japanische Girlgroup The 5.6.7.8.’s übrigens »Ah, So« und verknüpfte den Titel mit einer authentischen asiatischen Note.
Gary Bailey ist mittlerweile Rentner, spielt aber immer noch in einer Fifties-Rock’n’Roll- Band. Ich werde ihm wohl noch mal schreiben. Das Poster sieht so schön aus, vielleicht schickt er mir ja doch noch eins. Ich würde es einrahmen.