Ich bin drin im Computerstaat

Folge 54. Abwärts: »Computerstaat« (1980).

Als meine Freundin sich vor vier Jahren einen neuen Computer kaufte, überließ sie mir ihren alten und katapultierte mich damit, hoffnungslos verspätet, in die digitale Welt. Bis dahin hatte ich mich standhaft dem Computer verweigert. Mit Schaudern erinnere ich mich, wie mir Mitte der Neunziger ein befreundeter Grafiker fröhlich erklärte, ich könne jetzt alle meine Papier­originale wegwerfen, digital ließen die sich viel besser lagern. Zum Glück habe ich ihm nicht eine Sekunde geglaubt. Mein Computer ist mittlerweile schon zwei Mal abgestürzt und hat viele Dateien gelöscht. Das Papier meiner Originale mag langsam vergilben, die Zeichnungen sehen jedoch selbst nach 20 Jahren noch so frisch aus, als wären sie gestern gezeichnet worden. Dafür verwende ich ausschließlich die leicht harzige Tusche von Windsor & Newton, die enthält Schellack, das gleiche Material, aus dem einmal Schallplatten hergestellt wurden. Sicher gelagert, können die Seiten Hunderte von Jahren überstehen.
Auch meine »Big­beatland«-Strips trug ich bis vor kurzem noch persönlich in die Redaktion, wo sie von den ohnehin schon überlasteten Grafikern gescannt und bearbeitet werden mussten. All das änderte sich erst, als ich anfing zu bloggen. Mein Comiczeichnerkollege Mawil hatte ­behauptet, einen Blog ein­zurichten sei kinderleicht. Es ist wirklich sehr einfach, denn man braucht dafür keinerlei Computerkentnisse. Ich klicke mich lediglich durch das Menü: Links klicken, rechts klicken, kopieren, einfügen, das ist alles.
In der Fernsehwerbung wird zur Zeit eine Do-It-Yourself-Homepage für fünf Euro monatlich angeboten; tatsächlich handelt es sich hier schlicht um einen Blog. Die Blogsysteme Wordpress, Blogger und Blogspot sind hingegen kostenlos.
Um meine Postings zu gestalten, lernte ich nach und nach, Musik zu digitalisieren, Papier zu scannen und mit Photoshop zu kolorieren. Nichtsdestotrotz zeichne ich weiterhin mit meiner Schellacktusche und einer Zeichenfeder, die einen Euro kostet, auf 200 Gramm Zeichenpapier und koloriere anschließend eine Fotokopie mit Aquarellfarbe. Weil es mir so einfach mehr Spaß macht und ich damit immer noch schneller bin als jeder Computerkolorist.
Über die passende Schallplatte zum Thema muss nicht viel gesagt zu werden. Die Hamburger Gruppe Abwärts gehört zu den bekanntesten Punkbands Deutschlands und ihr Lied »Computerstaat« zum Kanon der wichtigsten deutschen Punksongs. Die Nummer war die zweite Veröffentlichung auf dem Label Zick Zack, das von Alfred Hilsberg, dem Indie-Papst der Achtziger, gegründet wurde. Für die seltene Originalsingle habe ich mal 20 Mark bezahlt, 2002 ist der Song wiederveröffentlicht worden. Auch als billigere Nachpressung ist so eine Hitsingle sehr praktisch zum Auflegen.
»Stalingrad, Stalingrad, Deutschland Katas­trophenstaat. Wir leben im Computerstaat. Wir leben im Computerstaat. Wir leben im Com­puterstaat.«