Die Rechtspopulisten von Pro Deutschland kommen nach Berlin

Stammtischgänger gegen die Apokalypse

Die Rechtspopulisten von Pro Deutschland wollen im Westen Berlins Fuß fassen. Ob sie wirklich bei den Berliner Wahlen 2011 Erfolge erzielen können, ist fraglich, auch weil die erhoffte Finanzierung durch ihren Mäzen unsicher ist.

Das Schöneberger Rathaus darf in diesen Tagen erneut als Symbol für die Verteidigung der »freien Welt« herhalten. Galt das West-Berliner Parlamentsgebäude bis 1989 als Bollwerk gegen den Kommunismus, soll heute von dort aus der Kampf gegen die »Islamisierung« und den »Kulturverfall« vorangetrieben werden. Am 17. Juli hält die rechtspopulistische »Bürgerbewegung pro Deutschland« ihren Bundesparteitag im traditionsreichen Rathaus ab. Mit dem ihr eigenen Pathos verkündet sie in der Einladung: »Wenn Deutschland fällt, fällt Europa. Wenn Europa fällt, fällt die gesamte freie Welt. Auf nach Berlin zur Verteidigung Europas!«

Die maßgebliche Gestalt von Pro Deutschland ist der Kölner Manfred Rouhs, der seinen Umzug nach Berlin angekündigt hat. Zusammen mit Markus Beisicht hat er schon das Pilotprojekt der Bewegung, die »Bürgerbewegung pro Köln«, gegründet. Beide blicken auf eine lange Laufbahn in verschiedenen Organisationen und Parteien der extremen Rechten zurück, wie etwa den Jungen Nationaldemokraten (JN) oder den Republi­kanern. Zuletzt waren Rouhs und Beisicht bei der Deutschen Liga für Volk und Heimat, bevor sie, als Konsequenz aus deren parlamentarischer Bedeutungslosigkeit, die kommunal agierende Pro Köln aufbauten. Zweimal hintereinander führten sie diese in Fraktionsstärke in den Kölner Stadtrat. Während Beisicht und seine Getreuen sich zunächst auf Köln und Nordrhein-Westfalen beschränken wollen, versucht Rouhs, das Kölner Modell mit Pro Deutschland in die Weiten der Republik zu exportieren. Der Blick fiel dabei auf Berlin, wo man ein Wählerpotenzial von bis zu 15 Prozent vermutete. Mittlerweile ist Rouhs bescheidener geworden und spricht nur noch von »fünf Prozent plus x«.
Ein erstes Treffen der Pro-Bewegung in Berlin fand unter seiner Leitung bereits im April 2007 mit zwei Dutzend Teilnehmern statt. Dort wurde das Konzept zum Organisationsaufbau des Ber­liner Landesverbandes von Pro Deutschland vorgestellt. Darin offenbarte sich ein widersprüch­liches Selbstbild der Rechtspopulisten, zu deren Propaganda die Behauptung gehört, bei der Pro-Bewegung handele es sich um eine »Bürgerbewegung« aus einfachen Mitbürgern, die sich lokal und »von unten« gegen »die da oben« organisierten. Doch der Parteiaufbau von Pro Deutschland erfolgt in Wahrheit von oben nach unten und wird strategisch durch erfahrene Kader aus der extremen Rechten umgesetzt. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen. So sollen Pro-Funktionäre aus dem Westen wie Rouhs oder Lars Seidensticker aus Hambühren den Berliner Landesverband führen.

Das hochgesteckte Ziel dieser »wählbaren Alternative rechts der CDU« ist der Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus bei der Wahl im Herbst 2011 sowie in die zwölf am gleichen Tag zu wählenden Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Gelingen soll dies mit »Law and Order«-Themen sowie einer Mischung aus Rassismus, dem man vor allem aus Anlass von Moscheebauprojekten Ausdruck verleiht, und kommunalen Themen mit hohem Symbolgehalt. So setzten sich die Berliner Pro-Anhänger schon gegen eine Umbenennung der Treitschkestraße in Berlin-Steglitz ein. Auch gegen »Informationstafeln mit einer Distanzierung vom Namensgeber«, der für seinen Satz »die Juden sind unser Unglück« bekannt ist, wandte sich die rechte Gruppe, obschon sie offiziell, in Abgrenzung zu der NPD, antisemitische Positionen zurückweist.
Lange beschränkte sich die Pro-Bewegung in Berlin auf einen Kreis von ein bis zwei Dutzend älteren Aktivisten und Stammtischgängern, die sich in Westberliner Kneipenhinterzimmern Rouhs Vorträge anhörten. Ihre Aktivitäten haben aber deutlich zugenommen, seit Pro Köln bei den Kommunalwahlen 2009 so erfolgreich abgeschnitten und der schwedische Millionär Patrik Brinkmann sich der Pro-Bewegung angeschlossen hat. Brinkmann wohnt im Nobelstadtteil Berlin-Zehlendorf in einer mit Videokameras gesicherten Villa. In einer Erklärung auf seiner Internetseite entwirft der christliche Fundamentalist ein apokalyptisches Szenario: »Die Stadt wird islamisiert und entfremdet (…) es regieren Sodom und Gomorrha (…) Der Islam verhüllt seine Frauen und treibt europäische in die Prostitution. Das ist die Demütigung, auf die wir uns einstellen können.« Berlin muss Brinkmann zufolge »gesäubert« werden. Bürgermeister Klaus Wowereit gehöre dabei ebenso aus dem Roten Rathaus verbannt wie Schwulenparaden aus der Stadt.

Doch die Freude bei der Pro-Bewegung über Brinkmanns »recht konkrete Zusagen im soliden sechs- bis siebenstelligen Bereich« zur Finanzierung ihrer Aktivitäten, sollte er »Vorsitzender vom Ganzen« werden, währte nicht lange. In einer Erklärung gab der Unternehmer Ende Juni bekannt, dass er »nicht mehr für ein Vorstandsamt bei Pro Deutschland zur Verfügung« stehe. Denn die »letzen Tagen und Wochen haben gezeigt, dass Pro Deutschland sich nicht so entwickeln wird, wie ich das ursprünglich gedacht hatte«. Ob Brinkmann damit interne Streitigkeiten meint oder das deutsche Wahlrecht, das ihm eine Kandidatur für das Abgeordnetenhaus verwehrt, oder gar das schlechte Abschneiden von Pro NRW bei der vergangenen Landtagswahl, bleibt sein Geheimnis. Die rechtskonservative Postille Junge Freiheit zumindest bezweifelt, dass Brinkmann so solvent ist, wie er behauptet hat. Sie zitiert dabei enttäuschte NPD- und DVU-Funktionäre, die nicht das versprochene Geld von ihm erhalten hätten. Für den Pro-Bundesparteitag ist er jedenfalls weiterhin als Gast angekündigt und ebenso als Redner noch am gleichen Tag auf einer Kundgebung von Pro NRW in Dortmund. ­Zudem soll er nach Auskunft Rouhs gegenüber dem Neuen Deutschland für ein BVV-Mandat kan­didieren, was ihm als EU-Bürger möglich ist.
Falls das Geld von Brinkmann doch fließt, kann sich Berlin auf eine Materialschlacht durch Pro Deutschland im Wahlkampf 2011 einstellen. Schwerpunkt ihrer Bemühungen dürften die bürgerlichen Westbezirke sein, wo die Republikaner in den achtziger und frühen neunziger Jahren zum Teil zweistellige Wahlergebnisse erlangen konnten. Die konkurrierende NPD wird dagegen im Wahlkampf vor allem um Mandate in ihren »Kernbezirken« im Ostteil der Stadt kämpfen.